Torontos Kunstszene brummt. Ein Nachmittag in den Trendvierteln West Queen West und Ossington.
Von Gastautor Ole Helmhausen.
Das Künstlerhotel
Das rotzieglige Gladstone Hotel sitzt auf der Ecke Queen St. West und Gladstone Ave. wie ein unkaputtbares Überlebsel aus einer anderen Zeit. 1889 eröffnet, ist es eines der ältesten Hotels in Toronto– und heute ein Zentrum der boomenden Kreativszene im Trendviertel West Queen West.
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Jedes seiner 37 Gästezimmer wurde von einem anderen Torontoer Kreativen designt. Die Zimmer im ersten Stockwerk wurde frei gelassen, sie dienen als Ausstellungsräume, in denen sich junge Künstler aus der Stadt und ganz Kanada austoben und dabei gern auch konventionelle Grenzen überschreiten dürfen. Nicht anders will es Christina Zeidler, General Manager des Gladstone und Tochter des berühmten deutschen Architekten Eberhardt Zeidler, der unter anderem in Toronto das Eaton Centre erbaut hat.
Kreativ ist sie ebenfalls. Zeidler ist die Seele des Hotels, sie hat das ungewöhnliche Konzept mitentwickelt und setzt als Geschäftsfrau und Künstlerin vor allem auf kreative Risikobereitschaft. Video-Installationen sind zu sehen und aufrüttelnde Werke profilierter Künstler aus der kanadischen LGBT-Szene, wie »Ten by Ten« und »Uprising«. Zeidler lächelt. Die Torontonians seien nicht ganz unschuldig an dem Erfolg des Gladstone. »Jemand hat eine Idee und stellt sie aus, und andere sagen dazu, wow, das ist ja absolut krank, aber ok, wir machen mit. Dieser partnerschaftliche Spirit und dazu der multikultuelle Mix, das ist das Beste an Toronto!”«
Vielvölker-Patchwork macht kreativ
Tatsächlich ist Toronto mit seinen 2,9 Millionen Einwohnern aus über 150 Nationen Multikulti pur. Jeder zweite wurde nicht in Kanada geboren. Jeder hier hat Freunde aus einer anderen Kultur, jeder kennt kulturelle Unterschiede aus eigener Erfahrung. So konnte eine Weltoffenheit entstehen, in der Kreativität einfach zum Alltag gehört. Im Raum Toronto gibt es über 200 Theatergruppen, 50 Ballet- und Theaterensembles, mehrere Opernensembles und zwei Sinfonieorchester.
Von der öffentlichen Hand mitfinanzierte Vereine wie Artscape stellen über 10 000 finanziell klammen Künstlern in der immer teureren Stadt Räumlichkeiten zur Verfügung. Und die künstlerfreundlichen Hausverwaltungen alter Lagerhäuser wie dem Richmond 401 beschützen Künstler und andere kreative Mieter vor den astronomischen Mieten und Grundstückssteuern in Downtown Toronto.
Instagram-Hotspot: Graffiti Alley
Bei einem Bummel durch die Stadtviertel, die so genannten Neighbourhoods, begegnet man Kunst auf Schritt und Tritt. Torontos Kreative malen, sprühen, werkeln, bauen, weben und brauen sich ihren Weg an die Öffentlichkeit und in die Herzen. Was man an einem Nachmittag sehen könnte? Internationale Grafitti-Künstler haben im Queen Street Village die schmale Rush Lane zwischen Spadina Ave. und Portland St. in ein grellbuntes, kilometerlanges Happening namens Grafitti Alley verwandelt.
Bei Easy Tiger Goods (1447 Dundas St. W. Ecke Glasdstone,) findet man bei einer Tasse Kaffee aus Réunion zwischen nostalgischen Accessoires und echtem Kitsch teure Loafer von Dieppa Restrepo und Geldbörsen von Clare V.
Bei Anice Jewellery (102 Ossington Ave.) hat jedes Schmuckstück eine Geschichte, die Besitzerin Brittany Hopkins gern erzählt. Ein paar Schritte weiter kann man in der Bellwoods Brewery (124 Ossington Ave.), einer zünftigen Brauereischänke mit kleinem Pub, bei aromatischen Pale Ales und fruchtigen IPAs vorglühen, bevor es ins La Banane (227 Ossington Ave.) geht.
An der Theke dieses derzeit angesagtesten Bistro-Restaurants gibt es grandiosen Seebarsch in Mehlschwitze. Und, wenn man nicht mehr unbedingt in die Musikläden in Kensington Market muss, die besten Cocktails in diesem Teil der Stadt .