Es gibt Straßen, die haben nur eine Nummer. Daran rausche ich vorbei oder fahre drüber, ohne sie wirklich als Highlight einer Reise zu registrieren. Und dann gibt es die Straßen, die haben Namen. Und unter all denen, die das Abenteuer lieben, klingen eben diese Namen wie die reinste Verlockung. Doch es gibt noch eine Steigerung – dann nämlich, wenn die Straße eine echte Legende ist. Und da erst wird der Weg zum Ziel. Ein Roadtrip auf dem Dempster Highway lässt sich nur empfehlen.
Etwa 40 Kilometer östlich von Dawson City – im zauberhaften Yukon – verläuft der Klondike Highway. Dieser ist für sich schon ein Abenteuer mit einer großen Portion Goldgräberstimmung und dem ein oder anderen Grizzly auf der Straße. Doch es wird noch besser. Von diesem „Highway“ startet die oben erwähnte Legende: der Dempster. Besonders schön ist der Highway im Herbst.
Wer jetzt eine breit-asphaltierte Straße mit Markierungen und Pöllern erwartet, dem sei gesagt, dass es doch etwas rustikaler zugeht. Ein Highway sieht landläufig etwas anders aus, was dann auch bei manchem Camper, Auto- und Harleyfahrer für leichte Verwirrung sorgt. Denn der Dempster ist eine Schotterpiste!
Die Straße ohne Wiederkehr
Die Straße nach Inuvik existiert erst seit 37 Jahren und folgt primär einem einstigen Hundeschlittenpfad, der von Dawson City nach Fort McPherson in die Northwest Territories führte. Doch warum diese Straße im weiten Nichts? Damals vermutete man Öl in der Nähe des Polarkreises. Dementsprechend wurde 1959 enthusiastisch mit dem Straßenbau begonnen, um das Projekt bereits zwei Jahre später zu beenden, als klar war, dass die Suche nach Öl erfolglos bleibt. Bis dahin waren allerdings nur 115 Kilometer fertiggestellt, die irgendwo im Nirgendwo endeten, was dem Highway den Namen „Straße ohne Wiederkehr“ einbrachte.
18 Jahre später wurde der Dempster Highway am 18. August 1979 eröffnet. Seinen Namen hat er dem Mountie William John Duncan zu verdanken, der mit dem Hundeschlitten von Dawson City nach Fort McPherson kleinere Botenfahrten übernahm und beispielsweise die Post transportierte. Heute, so sagen es die Fans, ist es die beeindruckendste Straße der Welt, die um die Zivilisation und ihre Macken einfach einen riesigen Bogen macht. Wer hier fährt, fährt vor allem mit sich.
Besonders schön ist die Tour in der Mitte des Jahres, wenn das magentafarbene Fireweed die Straßen säumt und das Ende des kurzen Polarsommers einläutet. Für besonders Abenteuerlustige ist ein Roadtrip auf dem Dempster Highway im Winter eine Herausforderung, wenn alles weiß in Weiß ist und man die Windschutzscheibe erst mal mit vollem Gebläse anheizen muss, damit das Waschwasser nicht sofort anfriert. Belohnt wird man für Strapazen allerdings regelmäßig mit am Himmel tanzenden Nordlichtern.
Die erste ganzjährig befahrbare Straße zum Arktischen Ozean
Apropos Nordlichter. Der Dempster hat nämlich Zuwachs bekommen. Die neue Allwetterstraße, die den Highway auf 137 Kilometern von Inuvik nach Tuktoyaktuk – bis an den Arktischen Ozean (ja, richtig gelesen!) verlängert, ist die erste ganzjährig befahrbare Straße zum Arktischen Ozean und damit die erste, die Kanadas Küsten auf dem Landweg miteinander verbindet.
Die Fahrt ist ein pures Abenteuer, oder sagen wir, ein episches Erlebnis durch ein völlig unerschlossenes Terrain, das von einer meist zugefrorenen Landschaft aus Seen und Flüssen geprägt ist. Stetiger Begleiter auf der Fahrt zum Nordpolarmeer sind, neben den Nordlichtern, die seltsamen und zugleich wunderbaren Pingos der arktischen Küste, die wohl zu den beliebtesten Besonderheiten des Nordens zählen.
Ein Kern aus Eis lässt die hochaufragenden Bergkuppen am Ufer der Beaufortsee anschwellen und die flache Tundra überragen. Der zweitgrößte Pingo der Welt ist der 49 Meter hohe Ibyuk vor den Toren Tuktoyaktuks. Das kleine Städtchen, das von seinen Bewohnern liebevoll „Tuk“ genannt wird, liegt direkt am Ufer des arktischen Ozeans.
Ein Roadtrip, der so spannend am Polarkreis endet (wobei man ja auch noch zurückfahren muss), kann nur einen besonderen Eindruck im Leben hinterlassen. Und ja, dazu gehören auch Schotter, Schlaglöcher und Matsch. Denn die geben den unendlichen Weiten Kanadas bei diesem Trip den passenden Touch. Und wenn wir schon von Touch reden, fällt mir auch noch ein, dass man hier auch die Füße ins Nordpolarmeer tauchen kann. Würde in den USA auch gehen, allerdings nur neben einer Pipeline. Das hier ist somit garantiert schöner!
Und ein guter Rat zum Schluss
Immer anhalten und volltanken, wenn eine Zapfsäule irgendwo auftaucht. Man weiß nie, wann die nächste offen ist.