Winnipeg ist das Gegenteil von dem, was seine Lage inmitten der flachen Prärie-Provinz vermuten lassen könnte. Eine Industrie- und Rock’n’Roll-Legende, eine Feinschmecker-Stadt und eine trendige Lokalunternehmenskultur platzieren die Metropole in Manitoba ganz weit oben auf der Städtetrip-Skala Kanadas. Mein Lieblingsviertel: das Exchange District.
Gastautorin Marie Tysiak
Dank der Eisenbahn-Strecke gen Westen nach Vancouver war Winnipeg einst die drittgrößte Stadt Kanadas. Anfang des 20. Jahrhunderts folgten dann Hochhäuser, die sich am Architekturstil des Vorbilds und Konkurrenten Chicago orientierten. Und heute? Heute ist alles anders, denn der Panamakanal hat längst die Bahnstrecke als Weg an die Pazifikküste abgelöst.
AUS ALT MACH NEU
Doch die Bausubstanz ist noch vorhanden. Viele der historischen Gebäude aus der Zeit der Industrialisierung stehen im Exchange District. Dort reihen sich auf 20 Häuserblocks verteilt mehr als 150 von ihnen aneinander. Dieses Viertel ist damit die größte Altstadt Nordamerikas. Das Beste ist, dass sich in den alten Fabrikgebäuden in den letzten Jahren trendige Restaurants, hippe Dachterrassen-Bars, Ateliers und innovative Design- und Modeunternehmen niedergelassen haben. Noch ist der Strukturwandel in vollem Gange und versprüht eine kreative, ausgelassene Atmosphäre in den alten Backstein-Blöcken. Einfach einzigartig. Kleine Beispiele gefällig?
BACKE, BACKE, DONUT
Ich brauche nicht lange durch die Hochhausschluchten zu spazieren, um vom ersten Jungunternehmens-Juwel angezogen zu werden. Immer der Nase nach lande ich vor den Glastüren von Bronuts, durch die der herrliche Duft nach frischen Donuts auf die King Street hinauszieht. Seit 2015 backen hier zwei Brüder gemeinsam die köstlichen Teigteilchen, acht verschiedene Kringel stehen zur Auswahl, jeden Monat wechselt das Special. Anfangs standen die Winnipeger Schlange für die rasch stadtbekannten Donuts aus dem Exchange District.
Nicht selten waren die Brüder nach zwei Stunden ausverkauft – sie kamen mit dem Nachbacken einfach nicht hinterher. Mittlerweile backen sie ausreichend Donuts, der Laden ist halbleer und ich bestelle in dem modern und minimalistisch eingerichteten Lädchen einen Kürbis-Käsekuchen-Donut. Kein Wunder, dass die Leute anstanden – ich schaffe es mit dem riesigen und herzhaften Donut-to-Go kaum bis zur Tür, da habe ich ihn schon fast verdrückt.
BITTE SETZEN!
Hinter dem Old Market Square – in der Mitte des Platzes prangt ein meterhoher abstrakter Aluminiumwürfel, der zu einer Seite aufgeklappt ist und dessen Inneres sich im Sommer zur abendlichen Konzertbühne verwandelt – biege ich links ab und keine fünf Bummelminuten später kann ich nicht wiederstehen und das Eingangsglöckchen zu einem kleinen Möbelladen klingelt, als ich eintrete.
In dem großen Verkaufsraum befinden sich Stühle, Tische und Lampen in buntesten Farben und ungewöhnlichsten Formen, besonders die grün-metallenen Barhocker im Schaufenster haben es mir angetan. Hut K ist ein Möbeldesign-Label von jungen Design-Studenten der Universität in Manitoba, das sie vor gut fünf Jahren in Winnipeg gegründet haben. Eine junge Frau begrüßt mich, und stellt sich als Nina vor, sie designe die Möbel. Als ich mich nach etwas Stöbern (leider passt keins dieser tollen Möbelstücke in meinen kleinen Koffer) verabschiede, sehe ich beim Zurückblicken den hochschwangeren Bauch der hübschen Frau.
EINE VERRÜCKTE NUDEL KOMMT SELTEN ALLEIN
Fürs Abendessen entscheide ich mich für Pasta im The Mitchell Block. Auf der McDermot Avenue fertigt Sean seine Pasta per Hand mit einer ganz klassischen Nudelwalze an, seine stark tätowierten Arme drehen fleißig an der Handkurbel, während die dunklen Macaroni mit Auberginengeschmack auf den Tisch purzeln. Serviert wird mit viel Liebe zum Detail, das Essen schmeckt himmlisch.
Gleich nebenan im Forth gönne ich mir noch einen letzten Drink. Hier treffen sich abends Jung und Alt auf einen Feierabend-Drink in der lampengeschmückten Rooftop-Bar. Auf der winzigen und doch gemütlichen Terrasse zwischen den historischen Backsteingebäuden werden leckere Cocktails serviert; die Kulisse ist unschlagbar.
UND GANZ, GANZ NEU: DAS DESIGN QUARTER
Das Exchange District ist toll. Damit man bei den ganzen innovativen Lädchen und Restaurants noch den Überblick behält, haben sich knapp fünfzig lokale Unternehmen der Szeneviertel Exchange District, Downtown und The Forks Anfang des Jahres zum The Design Quarter zusammengeschlossen. Auf der Internetseite oder dem Stadtplan vom Design Quarter werden einem, je nach Interessen, verschiedene Bummelrouten durch das Viertel vorgeschlagen. Jeden ersten Freitag im Monat öffnen übrigens im Viertel die Ateliers und Galerien ihre Türen für Kunstliebhaber.
Es finden auch regelmäßige Stadtführungen durch das Exchange District statt, jeden Freitag Abend findet auch eine Design Quarter Tour statt! Termine und Infos gibt es hier: http://bit.ly/2yx38Mt
Weitere Inspiration fürs Shoppen, Schlemmen und Bummeln durch Winnipegs flairreiche Altstadt und alle Unternehmen des Design Quarters von Winnipeg finden sich hier: https://www.designquarterwinnipeg.ca/