Im Golf von Sankt-Lorenz liegen die kleinen Fischerinseln Iles-de-la-Madeleine. Sie sind ein pittoreskes Paradies für Paddler, Gourmets und Kite-Surfer. Text: Jörg Michel
Was für Farben!
Wie goldgelbe Punkte stechen die Inseln mitten aus tiefen Blau des Meeres hervor. Als wir uns dem Land nähern erkenne ich rote Klippen, grüne Hügel dazu gelbe, pinke und blaue Holzhäuschen in der Sonne. Im einem kleinen Hafen am Ufer wippen Fischkutter im Wind. Ihre Farben sind so bunt wie die Inseln selbst: rosa, türkis, orange.
Wir sind auf den Iles-de-la-Madeleine, einem Dutzend kleiner Fischerinseln, die gut 200 Kilometer vom kanadischen Festland entfernt im Golf von Sankt-Lorenz liegen. Mit ihren riesigen Dünen, breiten Sandstränden, flachen Lagunen und pittoresken Dörfern erinnern sie mich ein wenig an Neuengland oder Cape Cod. Doch die Inseln gehören zu Québec.
Ein Archipel der Idylle
»Bonjour«, grüßt uns ein Einheimischer im Hafen von Cap-aux-Meules, dem Hauptort der Inselgruppe. In Cap-aux-Meules legen das ganze Jahr über Kreuzfahrtschiffe an, dazu Fähren aus Québec oder von Prince Edward Island. Auch viele Fischer haben hier ihre Boote angebunden, denn auf den Inseln leben viele Menschen noch immer vom Meer.
Verbunden werden die sechs größeren Inselchen des Archipels über eine knapp 90 Kilometer lange Straße, die zum Teil direkt über Strände und schmale Sandbänke führt. Mehr Panorama geht nun wirklich nicht! Dazu kommt die salzige Luft, der warme Wind und das Gefühl, ganz weit weg zu sein vom Alltag zu Hause. Ein Cabrio gefällig?
Das Museum der Robben
Wir machen uns auf den Weg nach Grande Entrée in den Norden des Archipels. An einem spinatgrünen Holzgebäude mit knallgelben Picknick-Stühlen und einer behangenen Wäscheleine im Garten halten wir an. Centre d’Interpretation du Phoque, steht auf einem hölzenernen Schild, übersetzt: Museum der Robben.
Die Ausstellung drinnen zeigt historische Boote, Jagdgeräte, Fotos und Filme aus der alten Zeit, als die Inseln noch abgelegener waren als heute. Damals spielten Robben eine wichtige Rolle und gehörten zum Alltag vieler Familien dazu. Nicht wenige lebten davon. Heute jedoch hat die Jagd keine so große Bedeutung mehr und viele Fischer fangen lieber Hummer.
Das Meeresfrüchte-Paradies
Womit wir bei den wunderbaren kulinarischen Highlights der Iles-de-la-Madeleine wären. Ob Hummer, Fische oder leckere Meeresfrüchte: Die Küche auf den Inseln besticht durch ländlich-maritime Geschmäcker, zum Beispiel Pot-en-pot, wunderbare Schmortöpfe mit allem, was das Meer hergibt. Dazu kommen frankokanadische Spezialitäten vom Feinsten.
Zum Beispiel in der Fromagerie du Pied-de-Vent auf der Insel Havre-aux-Maison. Hier stellen die lokalen Käsemacher Rohmilchkäsesorten her, die in ganz Québec einen exzellenten Ruf genießen. Der Weichkäse »Cheddar Art Senau« ist mein Favorit. Er schmeckt ein wenig nach Haselnuss und zergeht auf der Zunge wie ein weicher Gaumenschmaus.
Ein paar Schritte weiter treffen wir in der Räucherei Le Fumoir d’Antan Daniel und Benoit Arseneau. Seit Generationen räuchtert die Familie Arsenau hier in ihren Holzschuppen Heringe, Makrelen oder leckere Jakobsmuscheln. Der würzige Duft der Räucherei ist noch kilometerweit zu erschnuppern, wenn der Wind den Rauch in die Ferne trägt.
Sportlich geht es weiter
Was auch erklärt, warum die Inseln bei vielen Kanadiern als Zentrum für den Kite-Sport gelten. Am zehn Kilometer langen Plage de la Martinique tummeln sich am nächsten Morgen schon Dutzende Kite-Surfer mit ihren Segeln in bunten Farben. Besucher aus der ganzen Welt kommen an diesen Strand, weil die Winde hier so einmalig und zuverlässig wehen.
Für Kite-Amateure wie mich gibt es hier einen besonderen Nervenkitzel zu erleben: das Kite-Buggying. Dabei sitze ich in einem robusten Strandwagen und lasse mich von Wind und Segeln kilometerlang über den flachen Strand ziehen. Es ist ein wunderbares Vergnügen, bei dem wir mit bis zu 25 Stundenkilometer über den Sand brausen! So macht die Brise echt Spaß!
Als der Abend anbricht holen wir uns zum Abschluss Kajaks aus einem Schuppen und machen uns auf zum südwestlichsten Punkt des Archipels: zum Cap-du-Sud. Dort gibt es nicht nur einen idyllischen Leuchtturm, sondern auch eine bizarre Steilküste, die mich ein wenig an Irland erinnert. Nur die Farben sind anders. Hier ist das Gestein rot, dunkelrot sogar.
Wir paddeln vorbei an roten Klippen, unter Steinbrücken und höhlenartige Kanälen hindurch. Es kommt mir vor wie in einem riesigen Labyrinth aus Wasser, Sand und Gestein. Das Meer wippt nur ein wenig an diesem Abend und schon bald geht die Sonne hinter dem Horizont unter und plumpst wie ein roter Feuerball ins Meer. Diese Farben …