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Kathedralen der Kunst

Ob Langhäuser, Leuchtinstallationen oder Landschaftsmalereien – in Kanadas besten Kunstmuseen gibt es einen Querschnitt des ganzen Landes zu bestaunen. Von Jörg Michel

Inuitkunst in Ottawa

Es ist viel los in der Nationalgalerie in Ottawa: Ich drängele mich durchs dunkle Untergeschoß und betrachte die gläserne Vitrinen, die von hellen Scheinwerfern angestrahlt werden. Ich erkenne geschnitzten Figuren aus Stein, Elfenbein und Walknochen. An den Wänden daneben hängen Drucke und Zeichnungen. Darauf Menschen bei der Jagd, beim Angeln, auf dem Hundeschlitten. Es ist die Sammlung arktischer Kunst, eine der wohl schönsten der Welt. Über 1.400 Artefakte umfasst die Kollektion.

Meine Lieblingsfigur steht im Zentrum des Raums: Die Kreatur aus grünem Serpentinstein ist glatt poliert, glänzt und heißt schlicht: »Bird Creature«. Ihr Torso hat menschliche Züge, die Arme sind wie Flossen, der Kopf gleicht dem eines Vogels. Es ist eine Transformationsfigur, ein Fabelwesen aus der spirituellen Welt der Inuit und stammt von Kiuwak Ashoona, einem der bekanntesten Inuit-Künstler Kanadas.

Die Mutter der kanadischen Kunstmuseen

Kiuwak Ashoonas Talent ist in Kanada quasi Familiensache, denn im nächsten Raum finde ich eine Buntstiftzeichnung seiner Tochter Shuvinai. Die Skizze zeigt eine sommerliche Dorfszene aus dem Alltag der Inuit: Jäger mit Speeren, ein Wal am Strand, Bewohner mit Eimern und Messern, bereit zum Ausnehmen der Beute. Dazu farbige Container, Holzhütten, ein paar rostige Fässer am Strand.

So also sieht die kanadische Arktis aus! Ein echtes Lernerlebnis für ein Großstadtkind wie mich. Denn kaum sonst wo außerhalb der Arktis kann man über diesen entlegenen Landstrich so viel lernen wie in der National Gallery in Ottawa – einem der wohl renommiertesten Kunst-Museen des Landes.

Weswegen Kunstliebhaber die National Gallery auf keinen Fall versäumen sollten. Sie steht ganz oben auf der Liste meiner Lieblingsmuseen in Kanada:

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National Gallery, Ottawa

Das moderne Bauwerk aus Glas und Granit sieht aus wie eine Kathedrale und gilt als eines der markantesten Bauwerke der Hauptstadt. Drinnen hat es neben der Sammlung arktischer Kunst viele zeitgenössische Werke. Die Stücke der Group of Seven rauben mir dabei jedes Mal auf Neue den Atem. Die Gruppe kanadischer Landschaftsmaler porträtierte Anfang des vergangenen Jahrhunderts die Schönheit der kanadischen Wildnis und Natur. Heute erzielen die Werke auf Auktionen Millionenpreise.

www.torontowide.com
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Art Gallery of Ontario, Toronto

Ein paar Schritte von der Chinatown Torontos gelegen, besticht die Galerie mit ihrer modernen Architektur, ihrer spektakulären Wendeltreppe und ihrer gläsernen Fassade, die wirkt wie ein riesiges Segelschiff im Häusermeer von Kanadas größter Stadt. 80.000 Exponate vom ersten Jahrhundert bis heute gibt es drinnen zu bestaunen. Sprachlos macht mich jedes Mal die einmalige Skulpturensammlung der Bildhauerlegende Henry Moore – es ist die größte Sammlung des britischen Künstlers weltweit.

 

Musée d’Art Contemporain, Montréal

Schon die Anfahrt mit der U-Bahn gehört zum Erlebnis. Die Röhren und Fußgängertunnels an der Station am Place des Arts sind überall mit spektakulären Instellationen und blinkenden Leucht-Panelen verziert. Drinnen hat es 7.000 Werke ausschließlich der modernen Kunst. Das futuristische Orchester des Québecer Installationsgenies Jean-Pierre Gauthier ist mein Lieblingsstück. Stundenlang kann ich einfach nur dasitzen und Gauthiers schrägen Klängen zuhören.

 

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Museum of Anthropology, Vancouver

Auf dem Universitätsgelände rund um das Museum haben Forscher das Replika eines altes Haida-Dorfes orginalgetreu wieder aufgebaut – Langhäuser, Totempfähle und spektakuläre Blicke auf die Gewässer der Georgia Strait inklusive. Auch drinnen geht es vor allem um die Kunst von indigenen Menschen von der Nordwestküste. Mein Höhepunkt: Die hölzerne Skulptur »Der Rabe und die ersten Menschen« des Haida-Künstlers Bill Reid, ein Motiv das in Kanada vom alten 20-Dollar-Schein bekannt ist.

 

Winnipeg Art Gallery, Winnipeg

Kanada’s ältestes Kunstmuseum – gelegen in einer der kältesten Metropolen des Landes. Kein Wunder, dass die futuristische Kalksteinfassade kaum Fenster und nur kleine Türen hat. Das spart Heizkosten! Zu meinen Favoriten drinnen gehört Tom Thomson, der mit seinen Gemälden die Magie des kanadischen Winters eingefangen hat wie wohl kaum ein anderer kanadischer Künstler. »Early Snow« von 1912 etwa zeigt ein romantisches Birkenwäldchen im Tiefschnee. Kanadischer, oder soll ich sagen, kanadastischer, geht es nun wirklich nicht!

 

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