Die kleine Atlantikprovinz ist Kanadas bestgehütetes Geheimnis. Dabei bietet sie Wildtierbeoachtung der Extraklasse. Beste Beispiele: die Wale, Seehunde und Papageientaucher in der Bay of Fundy. Und natürlich der Bärenflüsterer von Acadieville. Text: Ole Helmhausen
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Abstand halten, Raum lassen und auf keinen Fall füttern. Doch was Richard Goguen (57) da treibt, läuft allem zuwider, was man als guter Tourist über den Umgang mit wilden Bären so lernt. Denn der bullige Akadier füttert Schwarzbären auf seinem Land. Als Besitzer von Little Big Bear Safari lässt er auch Besucher aus aller Welt an dem täglich stattfindenden Schauspiel teilnehmen:
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Von einem 14 Meter hohen Beobachtungsturm können diese Goguen dabei fotografieren, wie er sich unter die aus dem nahen Wald auftauchenden wilden Schwarzbären mischt und dabei Futter ausstreut, als seien die bis zu 200 Kilogramm schweren Raubtiere Hühner.
Die männliche Bärenmama
Kritikern, die darauf hinweisen, dass er die Bären damit an Menschen gewöhne und unberechenbar mache, entgegnet er nur:
Don’t try this yourself.
Und erzählt seine Geschichte. Wie er als junger Mann unterwegs im Wald von einem verwaisten kleinen Bären als Mama adoptiert wurde. Und wie dieser jedes Mal ihm wie ein Hündchen folgte, wenn er zu der Stelle zurückkehrte und wie er seitdem immer mehr Zeit unter Bären verbringt.
Ob es nun die Aussicht auf eine leicht zu bekommende Mahlzeit ist, die jeden Sommer paar Dutzend der rund 12 000 Schwarzbären New Brunswicks zu Bärenflüsterer Goguen lockt, oder ob der Mann einfach etwas hat, was anderen Menschen nicht haben: Ein Besuch bei Little Big Bear Safari ist in jedem Fall ein besonderes Erlebnis.
Noch mehr Wildlife
Ebenso übrigens wie ein Besuch bei den Bewohnern der Bay of Fundy. Die wegen ihrer Weltrekordgezeiten berühmte Bay reicht 270 Kilometer weit ins Landesinnere und empfängt im Sommer acht Walarten, darunter Finn-, Minke- und Pottwale. Mit etwas Glück ist es sogar möglich einen Blick auf Buckelwale und den Nordatlantischer Glattwal zu werfen, diese sind sehr selten anzutreffen.
Das Gefühl, im Schlauchboot einem dieser sanften Riesen quasi Aug‘ in Aug‘ zu begegnen oder ihm neben den Walbeobachtungsschiffchen auftauchen zu sehen und dabei tief schnaufen zu hören, ist unbeschreiblich. »Whale Watching«-Unternehmen starten beispielsweise von Saint Andrews und den Fundy Isles aus.
Gut möglich, dass dabei auch Seehunde über die Wellen lugen und pfeilschnelle Tümmler den Kurs des Beobachtungsboots kreuzen. Die mit den Delfinen verwandten kleinen Meeressäuger tauchen meist in kleinen Schulen auf und surfen gern in der Bug- oder Heckwelle. Oder springen im hohen Bogen über diese, und natürlich immer dann, wenn man die Kamera gerade nicht dabei hat. Beim Anblick eines Wals unkontrolliert jauchzenden Mitstreitern mag man verzeihen: Zum ersten Mal einem dieser tonnenschweren Geschöpfe zu begegnen und ihm womöglich ins Augen zu blicken, ist in der Tat überwältigend.
Auch ein Paradies für Ornithologen
Aber New Brunswick hat noch mehr Begegnungen der unvergesslichen Art auf Lager. Rund 15 Kilometer von Grand Manan Island im Ausgang der Bay, liegt ein Paradies für Vogelbeobachter. Machias Seal Island ist bei Ebbe kaum anderthalb Kilometer lang, besitzt einen Leuchtturm und ist unbewohnt – wenn man von den Seevögeln absieht, die während der Brutzeiten hier Station machen.
Egal wo auf der Insel man sich aufhält, zu jeder Zeit sieht man mehrere Tausend Tordalke, Küstenseeschwalben, Trottellummen und Papageientaucher, die stummelflügeligen Charmbolzen mit dem lustigen Clowngesicht. Auf dieser Tour, die Sea Watch Tours auf Grand Manan anbietet, sind Wale übrigens nur in Nebenrollen zu sehen. Ausnahmsweise.