Im historischen Fort in Louisbourg auf Cape Breton Island können Geschichts-Freaks leben wie die ersten französischen Siedler in Kanada – und sogar Kanonen und Flinten abfeuern! Von Jörg Michel.
Einblicke in die Geschichte
Tim hat eine Flasche Wein gestohlen – und dafür muss er jetzt büßen. Der Beschuldigte trägt Handschellen aus Eisen und wird in einer Straf-Prozession durch das Fort getrieben. Vorneweg marschiert ein bewaffneter Soldat in roter Uniform und Dreispitz. Dahinter läuft das gemeine Volk, das dem Sünder allerlei Unfreundlichkeiten an den Kopf wirft. »Schande, Schande«, rufen einige und Tim senkt verschämt seinen Kopf.
Nach ein paar Minuten unter Trommelwirbel erreicht der Umzug den Hafen. Stillgestanden! Tim wird an einen Holzpfahl gebunden. Ein Richter mit Zopf, runder Brille und dunklem Umhang tritt aus der Menge, rollt ein Dokument auf und verliest die Anklageschrift.»Im Namen des Königs« ruft er und zählt die Vergehen des Delinquenten auf. Am Ende wird Tim zu ein paar Tagen Arrest bei Wasser und Brot verurteilt – und abgeführt.
Erlebte Vergangenheit
Es ist das Jahr 1742 in Louisbourg, einer der größten militärischen Befestigungsanlagen und wichtigsten Siedlungen der Franzosen in Nordamerika. Gespielt wird die Szene von Studenten in historischen Kostümen aus der Kolonialzeit und Besuchern der Anlage. Sie liegt auf Cape Breton Island in Nova Scotia und ist von der kanadischen Parkbehörde zu einem großen Freilichtmuseum ausgebaut worden.
Mehr als 50 historische Gebäude von einst wurden in Louisbourg wieder errichtet, es ist die größte derartige Rekonstruktion in Kanada. Es gibt Kasernen, Wohngebäude, Tavernen, eine Schmiede, Handwerkerläden und vieles mehr. Über 250 Jahre nach der Blütezeit des Forts können Besucher in der Anlage die Epoche der französischen Siedler in Kanada nacherleben und mit den Darstellern in die damalige Zeit eintauchen.
Live dabei
Auch historische Szenen werden nachgespielt. Wie beim Prisoner of the Day, wenn Gefangene wie Tim vor einen Richter geführt und öffentlich getadelt werden. So macht Geschichte Spaß! Denn der Verurteilte ist natürlich kein echter Krimineller sondern ein Tourist und er schlägt sich wacker am Pranger von Louisbourg.
Das historische Fort ist wie eine kleine Stadt und man kann locker einen ganzen Tag in der Anlage verbringen. Hier habe ich für Euch ein paar meiner Lieblingsaktivitäten rausgesucht:
Eins, zwei, drei – Feuer!
Schon mal eine echte Kanone abgefeuert? Oder mit einer historischen Flinte geballert? Beides ist in Louisbourg kein Problem. Als Kanonier in Ausbildung dürfen Besucher an der Seite der französischen Soldaten auf die Wehrmauern des Fort marschieren, das scharfe Schießpulver in die Salve stopfen und den Dolch anzünden. Rumms heißt es dann zur Mittagskanone. Ohrstöpsel nicht vergessen!
Eine Nacht im Fort
Guten Abend, gute Nacht… und dann heißt es Schlafen im Fort wie die ersten Siedler. Gepennt wird entweder in einem Leinenzelt aus dem 18. Jahrhundert, inklusive Laternen und einer Feuerstelle. Oder, etwas komfortabler, im Lartigue House. Das historische Steingebäude bietet ein festes Dach und Annehmlichkeiten aus dem 20. Jahrhundert: eine Mikrowelle, Kaffeemaschine und einen kleinen Kühlschrank.
Essen wie in der alten Zeit
Im Hotel-de-la-Marine oder Grandchamp House gibt es Mittagsmenüs wie einst bei den ersten französischen Kolonisten: Zum Beispiel Fischeintopf mit Brot, Erbsensuppe oder Muscheln direkt von nebenan aus dem Atlantik. Serviert wird das Ganze von Innkeepern mit Kopfhauben und Schürzen mit Karomuster. Die Teller und Becher sind aus Zinn, die Servietten knotet man sich am besten direkt um den Hals.
Rum! Der Geist von Louisbourg
Einst hielt der Rum aus den Tavernen von Louisbourg die Moral der Soldaten hoch. Heute können Besucher über 19 Jahre das Gebräu von damals selbst kosten. Zum Beispiel den berühmten Rumpunsch, erfrischend und süß. Hartgesottene probieren den Rum, der im Eichenfass gereift ist, natürlich pur. Da kommt gute Stimmung auf und das bisweilen stürmische Wetter draußen am Hafen ist schnell vergessen! Prost!