Wer in Kanadas traditionsreichen Eisenbahnhotels übernachtet oder speist kann dort gelebte Geschichte und luxuriöse Gastfreundschaft erfahren.
Von Jörg Michel
Wir schreiben das Jahr 1885. Männer in Anzügen und Zylinderhüten haben sich in den Rocky Mountains an einem Bahngleis versammelt. Der Himmel ist wolkenverhangen, der Boden matschig. Doch das Jahrhundert-Ereignis kann nicht länger warten. Also greift einer der Männer zum Hammer und rammt einen blitzeblanken Nagel in die Schwelle. Vollbracht! Die transkontinentale Eisenbahn ist fertig.
Es war ein historischer Moment, der bis heute als eine Geburtsstunde Kanadas gilt. Am Eagle Pass in British Columbia hatten die Manager der Eisenbahngesellschaft an jenem Novembertag den Brückenschlag von Ost nach West vollendet. Dank der neuen Bahntrasse konnten Siedler und Touristen fortan schnell den Pazifik erreichen – und so die Einheit des damals noch fragilen Landes vorantreiben.
ein historisches Ereignis
Wie wichtig jener Tag für Kanada war, zeigt bis heute das offizielle Staatsmotto des Landes: »A Mari Usque Ad Mare«, übersetzt aus dem Lateinischen: von einem Ozean zum anderen. Der Satz ziert das kanadische Staatswappen, den kanadischen Reisepass, kanadische Dokumente. Er prangt auch auf den schmucken Glasfenstern in einer Veranstaltungshalle im legendären Banff Springs Hotel.
Wie passend! Kaum ein Hotel in Kanada verkörpert die Vision einer Nation »von Küste zu Küste« so sehr, wie das Banff Springs. Das Hotel im gleichnamigen Nationalpark gleicht einem schottischen Schloss im Wald und gilt als das berühmteste Eisenbahnhotel des Landes. Hier konnten schon die ersten Bahnreisende auf ihrem Weg vom Atlantik zum Pazifik nächtigen – komfortabel und in style.
Der Luxus und die Gastfreundschaft sind geblieben: Die Eisenbahnhotels stehen stolz wie einst an markanten Orten und gelten längst als inoffizielle Wahrzeichen Kanadas. Ein Besuch lohnt sich, sei es, um dort zu übernachten, zu speisen oder einen Tee zu trinken. Einfach Reinspicken geht auch. Die 10 schönsten Eisenbahnhotels habe ich euch hier aufgelistet (von Ost nach West):
1. Chateau Frontenac, Québec City:
Einst checkten Transkanada-Reisende hier ein, bevor sie sich auf die 5.500 Kilometer lange Bahnfahrt über den Kontinent machten. Das Hotel, das 1893 eröffnet wurde, thront wie eine Trutzburg über der historischen Altstadt von Québec. Gern rühmt man sich auch der vielen prominenten Gäste: Winston Churchill, Theodore Roosevelt, Elizabeth II, Alfred Hitchcock, Paul McCartney und viele mehr.
2. Royal York Hotel, Toronto:
Die »Grande Old Dame« der kanadischen Eisenbahnhotels. Direkt an der historischen Union Station in Toronto gelegen war das 2000-Betten-Haus mit seinen 28 Stockwerken einst das größte in der britischen Commonwealth. Die Wendeltreppe im Foyer war und ist atemberaubend. Im Bahnhof gegenüber starten zweimal die Woche die Züge von Via Rail auf ihre transkanadische Reise nach Vancouver.
3. Chateau Laurier, Ottawa:
Mitten im politischen Zentrum Kanadas unweit der Parlamentsgebäude Ottawas erbaut, war das Chateau einst das wichtigste Hotel der Canadian National Railway Company. Eröffnet 1912 stiegen hier traditionell Politiker, Staatsoberhäupter und Staatsgäste ab – und so ist es noch immer. Vielleicht trefft ihr ja Angela Merkel oder Justin Trudeau im hauseigenen »Zoe’s«, einer der schicksten Bars der Stadt.
4. Fort Garry Hotel, Winnipeg:
Die Präriemetropole Winnipeg liegt etwa auf halber Strecke zwischen Atlantik und Pazifik – und so bietet sich das mondäne Fort Garry Hotel als Zwischenstopp für Bahntouristen geradezu an. 1913 von der Grand Trunk Pacific Railway eröffnet, betreiben heute Privatleute das Haus. Doch aufgepasst: Seit ein Gast dort unter mysteriösen Umständen starb, soll im Zimmer 202 der Hausgeist spuken…
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5. Hotel Macdonald, Edmonton:
Das elegante Haus von 1915 ist nach Kanadas erstem Premierminister Sir John A. Macdonald benannt. Der trieb die ehrgeizigen Bahnbauprojekte einst entscheidend voran mit dem Ziel, die Nation zu einen. Das Hotel in seinem Namen in Edmonton stand 1983 kurz vor dem Abbruch. Nach einer superteuren Renovierung thront es heute wieder idyllisch und majestätisch über dem North Saskatchewan River.
6. Banff Springs Hotel, Banff:
Eine Legende. Kein Hotel in Kanada wurde in seiner Geschichte so häufig fotografiert wie das Banff Springs. 1953 drehte Marilyn Monroe dort ihren Western »Fluss ohne Wiederkehr«. Mit seinen 764 Zimmern, einem 36-Loch-Golfplatz und elf Restaurants und Bars ist und bleibt das Banff Springs unübertroffen. Der Blick von der Hotelterrasse auf die Gipfel der Rocky Mountains ist eine Wucht.
7. Jasper Park Lodge, Jasper:
Mein Favorit. Einst als luxuriöse Zeltstadt von der Grand Trunk Pacific Railway am Ufer des Lac Beauvert gebaut, besteht das Hotel heute aus romantischen Blockhäusern und Hütten mitten in der grandiosen Landschaft des Jasper National Park. Auf dem idyllischen Gelände grasen gern die Hirsche, der Golfplatz ist besonders bei Grizzlybären beliebt. Lecker ist das Büffelfilet im Restaurant »Moose’s Nook«.
8. Twin Falls Chalet, Yoho National Park:
Rustikale Berghütte in der Wildnis des Yoho National Park mit nur vier Zimmern. Gebaut wurde es 1923 als Tee-Haus für abenteuerlustige Gäste der Canadian Pacific Railway. Heute steht die Hütte unter Denkmalschutz und kann zu Fuß über einen acht Kilometer langen Wanderweg erreicht werden. Es gibt kein Strom, kein fließend Wasser, keine Toiletten. Dafür Kerzen, Taschenlampen und ein Plumpsklo.
9. Hotel Vancouver, Vancouver:
Nach vier Tagen Bahnfahrt erreichten die ersten Transkanada-Reisenden einst den Pazifik und viele nächtigten im Hotel Vancouver, dem ältesten Stadthotel der Canadian Pacific Railway. Das Gebäude im Renaissance-Stil war einmal das höchste der Stadt, hat 557 Zimmer, Treppen aus Marmor und elegante Ballsäle. Das Restaurant heißt »Notch 8«, benannt nach der Gangschaltung alter Dampflokomotiven.
10. The Empress, Victoria:
Von Vancouver aus setzten früher viele Reisende ihre Fahrt über den Pazifik fort – per Dampfschiff nach Asien. Ausgangspunkt war das Empress Hotel, dem markantesten Gebäude am Inner Harbour von Victoria auf Vancouver Island. In dem frisch renovierten Haus wird die britische Teekultur gefeiert wie in kaum einem anderen Hotel. Den Afternoon-Tea in der Lobby Lounge dürft ihr nicht verpassen!