Wer sich ein bisschen mit Nova Scotia auskennt, ahnt, worum es jetzt geht: um Oak Island, die (vermeintliche) Schatzinsel südlich von Halifax, wo Glücksritter und Abenteurer seit über 200 Jahren nach Reichtümern buddeln. Zumindest glauben sie fest daran. Und wenn es keine Goldtruhe ist, dann glauben sie zumindest an die Bundeslade. Oder den Heiligen Gral. Darunter geht nichts.
Text von Ole Helmhausen
Das Fazit deshalb vorweg: Was genau da unten ist, weiß kein Schwein. Dass da unten jedoch etwas sein muss, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Jedenfalls, wenn es nach der inzwischen zehnten Schatzgräbergeneration geht. Es gilt als dermaßen bombensicher, dass der History Channel dazu eine erfolgreiche Reality-TV-Serie namens »The Curse of Oak Island« gestrickt hat, die inzwischen ins fünfte Jahr geht und in der bärtige Kerle mit schwerem Gerät spielen, in tiefe Löcher starren und »Das muss es sein, wir sind nah dran« flüstern. Für die Normalo-Nachbarn drüben in Mahone Bay sind sie die »nut jobs«, die Durchgeknallten, doch gleichwohl empfiehlt die Handelskammer des hübschen Städtchens einen Spaziergang über die Eicheninsel. Ist halt gut für den Tourismus.
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Was ist also dran an der Geschichte?
Historisch belegt ist nur dies: dass die unübersichtliche Schärenlandschaft südlich von Halifax im 17. und 18. Jahrhundert Piraten aus halb Europa Unterschlupf bot. Und dass 1795 ein Junge namens Daniel McGinnis und zwei Kumpel auf Oak Island eine tellerförmige Senke entdeckten, in der eine Eiche mit einer alten Seilwinde stand. So weit, so gut. Man darf auch annehmen, dass die Drei wohl kaum mit dem Graben angefangen hätten, wenn sie die Schauergeschichten von wüsten Gestalten mit Holzbeinen und Augenklappen nicht mit der Muttermilch aufgesogen hätten.
Doch nun wird die Geschichte schwerer belegbar. McGinnis & Co. seien, heißt es, auf einen von Menschenhand gefertigten Schacht gestoßen. Fieserweise erschwerte dieser ihre Buddelei alle paar Meter durch Steinplatten, Holzbalken und Kokosmatten. Doch die Drei nahmen nun erst recht Witterung auf. Der Verdacht, dass der Schachtbauer hatte verhindern wollen, dass, was immer auch da unten war, je gehoben würde, ließ bei den drei Freunden – und allen folgenden Schatzgräbern – das Adrenalin einschießen.
In 30 Meter Tiefe wurde schließlich eine Steinplatte mit bis heute nicht übersetzten Schriftzeichen gefunden. Bis 1849 scheiterten alle Versuche weiterzugraben daran, dass der Schacht immer wieder mit Meerwasser volllief. Dann stellte sich heraus, dass das Wasser durch Tunnel unter der Insel in den Schacht gelangte. Wenig später dann wurde unter einem Strand in der Nähe eine dicke, mit Wasser vollgesogene Kokosmattenschicht gefunden und darunter eine von Löchern punktierte Steinschicht, durch die das gespeicherte Wasser nicht versickerte, sondern landeinwärts lief – Richtung Schacht.
Buddeln mit modernster Technik. So geht Schatzsuche heute!
Hatte es vorher schon zig Theorien zum wer, was und warum gegeben, blühte die Gerüchteküche nun erst recht. Wahlweise lag der Schatz von Käpt´n Kidd unter der Insel, dann der von den Azteken, Mayas oder Wikingern, oder es waren die Tempelritter, die hierher den Heiligen Gral in Sicherheit gebracht hatten?
Inzwischen ist der Schacht mehr als doppelt so tief und von weiteren Löchern umzingelt. Oak Island wird jetzt mit modernstem Equipment durchsucht, durchpflügt und umgegraben. Was bislang gefunden wurde, ist im kleinen Museum der Insel zu sehen: alter Hausrat und ein paar Münzen.
Die dort erzählten Geschichten der Glücksritter sind der eigentliche Schatz. Geschichten von großen Plänen, geplatzten Träumen und im »Money Pit« genannten Hauptschacht versenkten Millionen. Sechs Goldgräber bezahlten den Traum vom Reichwerden mit dem Leben – und inspirierten die Fantasie der Überlebenden aufs neue. Kein Wunder also, dass ein Reality-TV-Format auf Oak Island aufmerksam wurde. Und dass die unersättliche Lust auf möglichst haarsträubende, hanebüchende Geschichten von Gold und Gier der eigentliche Schatz der Eicheninsel ist ..