Wenn es noch irgendeines Beweises bedurft hätte, dass dieses Kanada ein verdammt sympathisches Land ist, dann haben wir ihn jetzt: Justin Trudeau ist im Land. Kanadas Premierminister ist sowas wie der Popstar unter den G20-Staatschefs, die gerade in Hamburg versuchen, die Probleme der Welt zu besprechen. Dieser Mann ist so etwas wie ein Gegenentwurf zu Rauten-Kanzlerin, Rüpelpräsident oder grau meliertem Regierungschef.
Trudeau in Hamburg
Nie war mir Kanada zu Hause näher: Seine 747 mit dem Ahornblatt auf dem Heck steht auf dem Flughafen, ich schalte das deutsche Fernsehen an und sehe ihn, ich schlage die Boulevardzeitung auf und lese, was er sagt. Und dieser Justin Trudeau macht nicht nur optisch eine verdammt gute Figur, er sagt auch kluge Dinge.
Dass Donald Trump gut beraten wäre, den Klimawandel als Herausforderung zu begreifen. Dass man von Kanada lernen kann, indem man auch unpopuläre Dinge umsetzt (Steuern für Reiche um ein Prozent erhöhen, für mittlere Einkommen senken, Kindergeld nach Bedarf statt mit der Gießkanne ausschütten). Dass sich Staatenlenker darauf konzentrieren sollten, den Leuten zu dienen statt nebulösen Vorstellungen, wie »dem Land« oder »der Wirtschaft«.
Den 150.Geburtstag Kanadas feiert er im Gewissen, dass sich seine Landsleute lange als Gegensatz zu anderen Völkern und Ländern definiert haben. Es ihnen gelungen sei, sich eigenständig zu definieren und sie niemanden bräuchten, an dem sie sich messen.
Leadership kann auch cool sein
Das alles sagt er Deutschlands auflagenstärkster Zeitung, der BILD. Und die druckt den »Anti-Trump«, wie sie ihn nennt, auf Seite 2. Am Tag nachdem Justin Trudeau auf der Bühne des Global Citizen Festivals stand. Neben Shakira, Schöneberger und Coldplay. Leger in Jeans, T-Shirt und Sportsakko. Und dabei, anders als der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (immerhin auch im T-Shirt – aber wer trägt noch weiß?) alles andere als deplatziert wirkte.
Seit heute wissen wir auch: Trudeau liebt Deutschland. Sein Stiefvater wurde in Ostdeutschland geboren, hat ihm die deutsche Kultur und das Essen nähergebracht. Und Justin liebt Rotkohl! Ich frage mich, wie der wohl mit Ahornsirup schmeckt. Bei all den Trumps, Erdogans und Brexit-Mays: Dieser »kanadische Kennedy« lässt einen vermuten, dass es doch noch Hoffnung gibt auf dieser Welt. Auf Vernunft, Weitsicht und Weltoffenheit. Und ich denke – in jeder Hinsicht – nie war mir Kanada näher!