Nova Scotia auf dem Silbertablett: Dies sind die sieben schönsten Aussichten am Cabot Trail auf Cape Breton Island. Wann kann man am besten dorthin? Natürlich im Herbst!
Text: Ole Helmhausen
Richtungsweisend
Morgens um sieben. Wir stehen auf dem Parkplatz in Baddeck. Das Resortstädtchen am Bras d’Or Lake ist noch nicht recht wach, doch wir sind schon in den Startlöchern. Auf der Kühlerhaube vor uns liegt die Karte von Cape Breton Island ausgebreitet. Wir überlegen, wie herum wir den Cabot Trail am besten fahren, um jederzeit die beste Aussicht zu haben.
Mit dem Uhrzeigersinn oder dagegen. Im Besucherzentrum und abends im Thistledown Pub haben wir schon herumgefragt. Am Ende hatte Team »Mit dem Uhrzeigersinn« mit 8:2 die Nase vorn. Damit schien die Sache erledigt. Heute Morgen jedoch lieferte der Mann an der Tankstelle ein überzeugendes Argument für die andere Richtung. Er könne sich, sagte er, diesen schlechten Rat nur damit erklären, dass er aus der Zeit stamme, als der Cabot Trail noch eine unbefestigte Schotterstrecke war und man gut daran tat, sich auf der sichereren Innenspur zu halten. Heute jedoch ist der Trail komplett asphaltiert, deshalb sei die ideale Richtung die entgegen dem Uhrzeigersinn. Weil wir nämlich eine durchgehend unverstellte Aussicht hätten und auch problemlos auf die Aussichtsplätze, die »Look-Off«, fahren könnten. Und, schob der Gute noch nach, weil dann das Beste ganz zuletzt käme.
Ein Augenschmaus jagt den nächsten
Wir sind überzeugt. Nichts gegen die tollen Galerien und Workshops zwischen Englishtown und St. Ann’s Bay an der Südostküste und die quicklebendige Kultur der Akadier an der Westküste. Letztlich sind es sieben Aussichtspunkte, die wir dick und fett auf der Karte markieren. Hier sind sie:
Cape Smokey
Gleich nach dem von Wald zugemauerten Nest Wreck Cove arbeitet sich der Cabot Trail von Meereshöhe in engen Serpentinen ein über 300 Meter hohes Vorgebirge hinauf. Der Blick zurück auf die grüne Küstenlinie und die gleich dahinter steil aufragenden Highlands ist der schönste auf diesem Abschnitt. Dann nimmt es der Trail mit dem Berg selbst auf und zwängt sich durch frei gesprengte Einschnitte im hellbraunen Fels noch weiter aufwärts. Oben wartet ein Look-Off mit tollen Blicken auf den Atlantik. Wow!
Ingonish
Minuten später fällt, nein, stürzt der Blick steil nach unten auf die von der schmalen Middle Head Peninsula zweigeteilte Bucht von Ingonish. Auf dem schlanken Felsenfinger steht die fotogene Keltic Lodge, führt der 3,8 km lange Middle Head Trail zu wunderbaren Aussichten auf Ingonish Beach und den nach Norden strebenden Cabot Trail. Wir parken vor der Lodge, nehmen den Trail und genießen 20 Minuten später wahre Postkartenansichten auf den Ingonish Beach und den nordwärts strebenden Cabot Trail.
Lakies Head
Rock hopping gefällig? Ein paar Kilometer weiter liegt Lakies Head, eine Bucht mit einem beeindruckenden Felsengarten aus massiven rötlichen Findlingen, die mythische Riesen hier fallen gelassen zu haben scheinen. Über die runden Felsen zu balancieren und die Küste zu inspizieren macht Spaß, aber noch spannender ist es, von hier aus nach vorbeiziehenden Walen Ausschau zu halten. Wir haben Glück. Mit Hilfe der Erklärungstafeln machen wir anhand ihrer Atemfontänen zwei Buckelwale aus, die gut 200 Meter vor der Küste vorbeiziehen.
Green Cove
Ein paar von uns werden seekrank. Zumindest wird uns ganz schön schwummerig. An Land? Wie das? Am Ende eines Boardwalk durch windzerzaustes Krummholz haben wir die felsige Landzunge hinter uns. Während der Nordatlantik unter uns gegen die Felsen kracht, sehen wir in den Augenwinkeln die wogende See und geradeaus den waagerechten Horizont. Und fühlen uns wie auf hoher See.
MacKenzie Mountain Look-off
Selbst wenn die kommerzielle Walbeobachtung vielen Regeln zum Schutz der Wale unterliegt: Wir fühlen uns wohler dabei, die sanften Riesen vom Land aus zu beobachten. Vom MacKenzie Mountain Look-off, dem ersten von drei coolen Aussichtspunkten über die ausgedehnte Pleasant Bay an der spektakulären Westküste, brauchen wir zwar ein Fernglas dazu, doch der Blick auf die mächtigen, durch den Atlantik pflügenden Rücken bleibt unvergesslich.
Skyline Trail
Auf dieses Wahnsinnspanorama haben wir den ganzen Tag gewartet! 20 Minuten südlich von Pleasant Bay ist es so weit. Nach einer schwindelerregenden Kurverei mit vielen »Aaahs« und »Ooohs« sind wir endlich an dem berühmten Skyline Trail. Die knapp vier Kilometer zu den Aussichten am 400 Meter hohen French Mountain sind ein angenehmer Spaziergang durch lichte Kiefernwäldchen. Dass man unterwegs dorthin höchstwahrscheinlich Elche sieht, stimmt: Wir sehen gleich vier, darunter ein kapitales Weibchen, das bewegungslos im Busch neben dem Trail steht und gemütlich an einem Streifen Baumrinde knabbert. Zuletzt tritt der Wald zurück, tauchen die ersten der hölzernen Aussichtsplattformen auf.
Wir marschieren jedoch weiter, bis zu der langen, nicht totzufotografierenden Treppe zur schönsten Aussicht, die Nova Scotia zu bieten hat. Der Blick ist wirklich spektakulär! Vor uns arbeitet sich der Cabot Trail die Steilküste entlang nach Süden. Unter uns tobt die Brandung, über uns kreisen Fischadler. Wir vergessen glatt, auch nach Walen Ausschau zu halten.
Veterans Monument
Auch dieses Bild genießt Ikonenstatus. Während der letzten drei, vier Kurven konnten wir es bereits kurz sehen, und nun liegt es in seiner ganzen Pracht vor uns: der bis zum Horizont gegen die Steilküste anrollende Atlantik, und hoch darüber der Cabot Trail, der sich über Bergrücken schwingt, in Bergfalten verschwindet und in der Ferne als dünner Strich auf grüner Leinwander wieder auftaucht.
Was für ein Augenschmaus! Der Herbst am Cabot Trail ist einfach eine farbenfrohe Schönheit!