In British Columbia können Besucher in Lodges und Hotels der First Nations übernachten – und damit der Geschichte und Kultur der Westküstenvölker nahekommen. Text: Jörg Michel
Ein dunkles Kapitel
Backstein, Efeu, Türmchen und Erker. Ein Kreuz auf dem Dach. Ein Landschaftspark mit alten Bäumen. Auf den ersten Blick sieht das St. Eugene Golf Resort aus wie eine Privatschule der Upper Class irgendwo in England oder Neuengland. Altehrwürdig. Traditionsreich. Streng.
Ganz falsch ist der Eindruck nicht. Denn das Resort in Cranbrook im Hinterland der Rocky Mountains war tatsächlich einmal eine Schule. Genauer gesagt, ein Internat für First-Nation-Kinder. Hunderte Mädchen und Jungen aus indigenen Familien haben hier, im St. Mary’s Reservat im Süden British Columbias, bis 1970 auf Geheiß des kanadischen Staates Englisch, Religion oder Mathe gelernt.
Es war ein düsteres Kapitel, auf das man in Kanada heute alles andere als stolz ist. Denn das Ziel von »Residential Schools« wie jener in Cranbrook war es, die First-Nation-Kinder in der weißen Gesellschaft zu assimilieren. Notfalls auch mit Gewalt und Zwang.
Erfahrungen in positives umkehren
Im St. Mary’s Reservat haben die First Nations ihren eigenen Weg gefunden, das Erlebte zu verarbeiten: mit der Eröffnung eines Hotels, dem einzigen seiner Art in Nordamerika. Die Schlafsäle des einstigen Internats beherbergen heute 125 Hotelzimmer. In einem ehemaligen Klassenraum befindet sich das Restaurant »Smokehouse Lounge«. Die Kapelle, in der einst jeden Morgen um sieben Uhr die Frühmesse zelebriert wurde, ist heute ein Bankettsaal. Teile des Schulhofes wurden zum 18-Loch-Golfplatz.
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Die Hotelgänge im Inneren erinnern noch an die alte Zeit. An den roten Backsteinwänden hängen Schwarzweiß-Aufnahmen: Sie zeigen First-Nation-Kinder bei der Osterprozession, beim Schulsport, in Schuluniform. Daneben hängen Ölgemälde mit Stammesältesten und Banner mit Symbolen der indigenen Schöpfungsgeschichte. Im Untergeschoss beherbergt ein kleines Museum historische Artefakte.
Die Gewinne aus dem Hotel kommen dem Ktunaxa-Volk zu Gute. Der Stamm finanziert damit unter anderem Sprachkurse für junge First-Nations-Kinder, damit die alten Mundarten nicht verloren gehen. St. Eugene ist ein beeindruckendes Projekt – und eines der schönsten Hotels der First Nations in Kanada.
Hier habe ich ein paar weitere First-Nations-Unterkünfte rausgesucht, bei denen sich ein Besuch lohnt.
Skwachays Lodge, Vancouver
Die Schnitz- und Zeichenkunst der First Nations der Pazifikküste ist weltweit gefragt, und die Skwachays Lodge in Vancouvers Gastown bietet davon reichlich: Jedes der 18 Zimmer wurde von einem anderen Künstler individuell gestaltet. Im Erdgeschoss gibt es eine Kunstgalerie, auf dem Dach einen geschnitzten Totempfahl. Mit den Erlösen werden Wohnungen für First-Nation-Künstler subventioniert.
Spirit Ridge at Nk’mip Resort, Osoyoos
Im Osoyoos-Reservat im südlichen Okanagan hat Häuptling Clarence Louie etwas Einmaliges geschaffen: das erste von Ureinwohnern geführte Weingut in Kanada. Zwischen den Rebhängen hat er dazu ein prächtiges 4.5-Sterne Resort mit 226 Zimmern bauen lassen, das Weinliebhaber aus aller Welt anzieht. Der rote Nk’mip Meritage von Kellermeister Justin Hall, ebenfalls ein Ureinwohner, ist unübertroffen.
Tsa-Kwa-Luten Lodge, Quadra Island
Schon beim Check-in taucht man in das kulturelle Erbe der Laichwiltach First Nations ein. Das Foyer der Tsa-Kwa-Luten-Lodge kommt architektonisch einem zeremoniellen »Big House« nahe, wie es in vielen First-Nation-Dörfern an der Westküste üblich war. Neben gemütlichen Zimmern im Haupthaus gibt es auch Hütten direkt am Strand. Im Nuyumbalees Cultural Centre, nur ein paar Autominuten weiter, kann man eine der wertvollsten Kollektionen originaler Potlatch-Gegenstände bestaunen.
Kwa’lilas Hotel, Port Hardy
Kwa’lilas heißt in der Sprache der Ureinwohner frei übersetzt: »der Ort wo man schläft«. Früher lebten die Gwasala Nakwax’da im Norden von Vancouver Island in Langhäusern aus Zedernholz und so wirkt auch das Hotel heute: Es ist mit Holz verkleidet und voller prächtiger Schnitzwerke. Im Restaurant Ha’me‘ (übersetzt: Essen) schmeckt besonders Tiq’wa’s – Hirschlende mit Kartoffeln.
Spirit Bear Lodge, Klemtu
Nach dem Glauben der Kitasoo-Xai-‚Xai hat der Schöpfer weiße Bären geschaffen, um uns daran zu erinnern, dass das Land einst von Gletschern bedeckt war. Im Great Bear Rainforest leben rund 200 Geisterbären und nirgendwo kann man den mystischen Wesen so nahe kommen wie auf den Touren der Spirit Bear Lodge. Das Hotel liegt direkt am Wasser und ist auf Bärenbeobachtung spezialisiert!