Tyler Nix

Montreal: Wo kalter Kaffee gefragt ist

 

Ein richtig guter Städteurlaub ist erst perfekt mit einem richtig guten Kaffee. In Montreal muss man sich da zum Glück nicht sorgen. Der Kaffee ist hier vorzüglich.

 

Auch wenn es unglaublich klingt, aber Kaffee ist der Deutschen liebstes Getränk. Sie trinken ihn mehr als Wein und Bier – glaubt man dem Deutschen Kaffeeverband – sogar mehr als Wasser. 165 Liter trinkt jeder Bundesbürger demnach pro Jahr – grob gerechnet zwei Tassen pro Tag.

Lex Sirikiat

 

Und längst ist Kaffee nicht mehr irgendein bitterer Wachmacher, das Heißgetränk ist heute in den deutschen Haushalten fast schon eine Art Statussymbol. Wer Massenware beim Discounter kauft, ist out. Wer gar keinen Kaffee trinkt, sowieso. Der Kaffee-Junkie geht heute zur lokalen Rösterei und kauft bewusst fairen Arabica aus exotischen Ländern. Und in diesem Sommer trinkt er noch immer das mittlerweile in den Trend-Cafés weltweit verbreitete »Cold Brew«.  Cold was? Dazu später mehr.

 

Nordamerika steht nicht für exzellenten Kaffee

 

Wer schon einmal in einem Diner gefrühstückt hat, in dem der Kaffee wie selbstverständlich immer und immer nachgeschenkt wird, weiß: Das Gebräu schmeckt nach verbranntem Teer und ähnelt einem Kaffee nicht mal in der Farbe. Der Kaffee, der hier ausgeschenkt wird, ist ja auch »nichts wert«, leider schmeckte man das auch immer. Das Resultat war, dass ich jahrelang einen riesigen Bogen um Kaffee in Nordamerika gemacht habe.

Caleb George

 

Dann wuchsen die Ketten wie Pilze aus dem Boden und der Kaffee bekam einen neuen Stellenwert. Mit To-go-Becher in der Hand schlenderten die hippen Damen über die Einkaufsstraße, die Studenten zu den Unis und selbst die Skater hatten beim Bergabrollen einen Kaffee in der Hand. Der eigene Name auf dem Venti-Pappbehältnis wurde plötzlich zu einem angesehenen Accessoire, und auch die ur-kanadische Systemgastronomie des Tim Hortons bot und bietet, zu meinem Erstaunen, einen ordentlichen Kaffee an, den man tatsächlich trinken kann.

 

Doch heute achtet der Kaffeekenner auf mehr als den bloßen Geschmack

 

Die hochspezialisierten Kaffeehersteller, die ihren Kaffee von Farmen im Direktvertrieb erhalten, rösten diesen auch selbst. Die Reise der Kaffeebohne bis in die Tasse ist dem Connoisseur heutzutage nämlich ebenso wichtig wie das Ergebnis selbst.

Nathan Dumlao

 

Wie Winzer um ihre Rebsorten kümmern sich deshalb die Baristas und Röster in Montréal um Aroma, Harmonie und Tiefe. Die Sortenvielfalt ist wichtig und auch die Farm von der der Kaffee stammt. Diese reine Bohnensammlung nennt sich dann Single-Origin-Coffee, einer der edelsten Varianten, die man trinken kann.

 

Doch was ist denn nun der kalte Kaffee?

»Cold Brew« ist quasi eine Weiterentwicklung, höchst attraktiv für die Sommermonate. Hergestellt wird dieser Kaffee nicht in der klassischen Filtermaschine, seine Zubereitung ist weitaus komplizierter. Denn natürlich ist das nicht einfach nur kalter Kaffee, vielmehr wird das Trendgetränk Tropfen für Tropfen extrahiert – stundenlang.

Matt Hoffmann

Die Herstellung dauert mindestens zwölf Stunden: Gemahlener Kaffee wird hierzu in ein Gefäß geschüttet und mit Wasser in Raumtemperatur übergossen. Einmal durchgerührt und mit Frischhaltefolie bedeckt, muss das Getränk mindestens zwölf Stunden bei Raumtemperatur ziehen. Nach der anschließenden Filtrierung des Gemisches mit einem Kaffeefilter erhält man ein Konzentrat, das ohne Eiswürfel oder Wasser zu intensiv schmecken würde. Also mischen – und zwar mit Milch, Sahne oder pur auf Eiswürfeln servieren

 

Wer nun Lust hat, der hohen Kaffeekultur Montréals zu frönen, der sollte diese Cafés besuchen.

 

Cafe Falco

Für Europäer ist dieses Café eine kuriose Mischung. Warum? Wer das japanische Bistro betritt, der wird begrüßt von dem köstlichsten Kaffeeduft überhaupt. Hier nur eine Cola zu trinken wäre eine Sünde. Ähnlich wie einen ordinären Filterkaffee danach. Denn der Barista des Café Falco weiß sehr wohl was er tut. Doch auch in der Küche wird köstlich gezaubert. Japanische Mittagsgerichte verwöhnen hier den Gaumen. Aber Achtung, nur montags bis freitags geöffnet!

Tyler Nix

Cafe Névé

Wer Gast des Cafe Névé im Stadtteil Plateau Mont-Royal wird, kann der guten Laune kaum entrinnen. Dafür sorgt zum einen der gute Musikgeschmack, zum anderen das köstlich süße Gebäck und das freundliche Personal. Das i-Tüpfelchen jedoch ist der richtig gute Kaffee, der mittlerweile in der ganzen Stadt berühmt ist. Nicht umsonst trifft man sich hier gleich auf mehrere Tassen mit Freunden. Das wiederum erzeugt eine moderne Kaffeehausatmosphäre. Und wer zum Frühstück kommt, der sollte unbedingt die Eggs Benedict bestellen. Ach ja, mittlerweile gibt es gleich mehrere Filialen. Aber auf der Rue Rachel befindet sich das »Original«.

Nathan Dumlao

 

Café Myriade

Diese kleine Kette, mit drei Locations innerhalb der Stadt setzt auf einen Röster aus Vancouver namens 49th Parallel Roasters. Und die Wahl ist exzellent. Der Kaffee ist mit Liebe zubereitet und schmeckt ausgezeichnet, genauso wie die kleinen Leckereien, die das Café bei lokalen Bäckern bezieht. Und selbst die Herkunft der Milch, nämlich aus der Region, wird dem Gast im Myriade mitgeteilt. Ach ja, und wer Cold Brew probieren mag, ist hier an der richtigen Adresse.

Die Maschine kocht Kaffee
Tyler Nix

 

Pikolo Espresso Bar

Der Name Pikolo lässt es schon vermuten: Verweilen Fehlanzeige! Deswegen gibt es auch kein Wifi. Wer sich hier in die Schlange stellt, um einen exzellenten Kaffee zu bestellen, sollte wissen, dass man ihn lediglich »to go« genießen kann – wobei die Betonung auf genießen liegen sollte. Denn der Kaffee ist wirklich top. 

 

 

Café Paquebot 

Das Café Paquebot ist das erste Café in Montréal, das Kaffee in Form eines Nitro-Kaltgetränks vom Fass serviert. Der Kaffee wird mit Stickstoff behandelt, unter Druck gesetzt und dann wie Bier vom Fass serviert. Dieser neueste Kaffee-Trend schmeckt sogar wie Bier, ist leicht sprudelnd und mit einem schaumigen Kopf bedeckt. Mein Tipp: Der » nitro coffee flight«, praktisch einen kalten Latte mit einem Spritzer Zitrone.

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