Stopover in Winnipeg. Nur ein paar Stunden Zeit? Das sollten Besucher bei einem Spaziergang durch die größte Stadt in Manitoba auf keinen Fall versäumen. Von Jörg Michel
Ankommen in Winnipeg
Über der Prärie geht gerade die Sonne auf, als die Schaffnerin zum Bordmikrofon greift. »Guten Morgen, in wenigen Minuten erreichen wir Winnipeg.« Die Passagiere des Via-Rail-Zuges The Canadian blicken aus den Fenstern: Rechts schlängelt sich der Red River an gläsernen Bürogebäuden vorbei, links spannt sich eine alte Stahlbrücke über den Assiniboine River. Und schon stoppt die Lok im Bahnhof.
Winnipeg liegt in der weiten Mitte Kanadas auf halber Strecke zwischen Toronto und Vancouver. Einst war das Gebiet am Zusammenfluß von Assiniboine und Red River ein wichtiger Handelsplatz der Ureinwohner sowie der ersten Siedler. Heute leben in der siebtgrößten Stadt Kanadas 660.000 Menschen. Der Trans-Kanada-Zug hat hier traditionell ein paar Stunden Aufenthalt – ideal für einen Stadtspaziergang.
A walk in the park …
Wenige Schritte vom neoklassischen Bahnhof entfernt sonnen sich Einheimische auf den Rasenflächen des Stadtparks The Forks, dem pulsierenden Herzen der Stadt. Bis vor 30 Jahren besaß die Canadian National Railway hier Lagerhäuser und Werkshallen. Die wurden mittlerweile abgerissen oder umgebaut. Heute besuchen rund vier Millionen Menschen im Jahr das Gelände, ein Freizeit- und Erholungsgebiet mit Bootsanlegern, Museen, Theatern, Konzertbühnen, Galerien und einer Markthalle. Ein Muss!
Kultur und Lebensfreude
Nur ein paar Schritte entfernt schimmert eine futuristische Dachkonstruktion mit viel Stahl und Glas in der Sonne. Es ist das Canadian Museum of Human Rights, ein Neubau, der sich der Geschichte der Menschenrechte in Kanada und der Welt widmet. Am Skaterpark daneben, angeblich einer der größten Kanadas, drehen ein paar junge Skater mit schiefen Baseballkappen waghalsige Runden. Lust auf Kaffee oder ein Lunch? Im Exchange District, dem populären Unterhaltungsviertel, reihen sich Coffee-Shops, Sandwich-Bars und Delikatessen-Läden aneinander.
Geschichte zum Anfassen
Über die Hauptstraße Broadway geht es vom Bahnhof aus vorbei am altehrwürdigen Eisenbahnhotel Fort Garry sowie einem neoklassizistischen Kuppelbau mit mächtigen Säulen und filigranem Fries: der Parlamentsbau der Provinz Manitoba. Auf der Kuppel steht ein goldener Junge mit einer Weizengarbe in der Hand, dem Symbol für die fruchtbaren Böden der Provinz. Das Parlament ist 77 Meter hoch und der zweitgrößte Parlamentsbau in Kanada – gleich nach dem in Ottawa.
An Treppenstufen hinunter zum Assiniboine River steht auf einem Podest ein Denkmal für Louis Riel. Der berühmteste Sohn Manitobas hatte indigene und frankokanadische Wurzeln und gilt heute als Revoluzzer und kanadischer Volksheld. Riel gründete einst die Provinz, kämpfte resolut für die Rechte der Métis (Nachfahren europäischer Pelzhändler und indigener Frauen) und zettelte einen Aufstand gegen die Regierung an, der ihm 1885 den Kopf kostete.
Für Fans der eisenbahn
An der Uferpromenade des Assiniboine geht es zurück zum Bahnhof, wo noch Zeit für das Bahnmuseum bleibt. Es zeigt Lokomotiven und Waggons aus den Pionierzeiten, darunter die CPR 1, eine der ältesten Dampfloks des Landes. Dann ertönt das Signal des Canadian und die Passagiere strömen zu ihren Waggons. »Willkommen zurück«, sagt die Zugchefin und die Bahn rollt weiter Richtung Westen.