Andy Best @andy_best

Das unbekannte Alberta entdecken

Unser Autor Jörg Michel hat vor kurzem seinen Reiseführer über Alberta veröffentlicht. Über sieben Jahre lang hat er in Alberta gelebt und kennt sich dort auch abseits ausgetretener Pfade super aus. Für uns hat er jetzt 5 seiner Lieblingsorte zusammengestellt, 5 Top-Tipps aus Alberta, das zum Highlight jeder Kanada-Reise gehört.

Text: Jörg Michel

Klar sind der Peyto Lake und der Moraine Lake schön, natürlich schlendere ich ab und zu gerne über die Banff Avenue, und eine Fahrt auf dem Icefields Parkway ist immer ein grandioses Erlebnis. Aber schon wenige Schritte jenseits der Highways habe ich Seen, Wasserfälle und Landschaften entdeckt, die kaum einer kennt.

Fundgruben für Kanada-Fans sind auch die weiten Flächen Albertas im Norden, Süden und Osten, die bislang kaum besucht werden. Dort habe ich Alberta von seiner schönsten Seite erlebt: die idyllischen Flusstäler, rauen Prärien, tiefen Canyons, einsamen Wälder, riesigen Seenplatten oder Kulturdenkmäler der First Nations.

Autor Jörg Michel im Tonquin Valley
Jörg Michel

Für #kanadastisch habe ich fünf dieser Entdeckungen zusammengestellt, die ich in meinem Buch „Alberta – 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade“ noch ausführlicher beschreibe. Kommt doch mit auf meine Entdeckungsreise! Vielleicht ist ja das eine oder andere Ziel dabei, das ihr im nächsten Kanada-Urlaub selbst ausprobieren wollt!

Tonquin Valley: Schönheit die sprachlos macht

Als ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal ins Tonquin Valley im Jasper Nationalpark wanderte, kam mir ein Trekkingtourist aus Toronto entgegen. Seine Augen leuchteten. Er sei um die Welt gereist, habe die Pyramiden gesehen, den Taj Mahal und den Mount Everest, und könne mit Überzeugung sagen: Das Tonquin Valley sei für ihn der schönste Ort der Welt.

Mann wandert durch das Tonquin Valley, einer unserer Geheimtipps in der kanadischen Provinz Alberta
Kathmandu

Ich bedankte mich für seinen Zuspruch und dachte mir: der schönste Ort der Welt? Doch er sollte Recht behalten. Bis heute zieht mich kaum ein anderer Ort so in seinen Bann, wie das spektakuläre Hochtal an der Westgrenze des Parks. Besonders großartig sind die Ramparts, eine Bergkette aus zehn Zinnen, die mich an Patagonien erinnern. Davor glitzert der Amethyst Lake.

Atemberaubend! Der Preis: Rund 20 Kilometer lang ist der Wanderweg von der Hauptstraße, sei es zu Fuß oder zu Pferd. Zugangswege gibt es zwei: Der Astoria Trail beginnt an der Straße zum Cavell-Gletscher, der Trail über den Maccarib Pass beginnt an der Straße zum Skigebiet Marmot Basin. Insgesamt sieben Zeltplätze stehen dem Wanderer unterwegs zur Verfügung.

Amethyst Lake mit schneebedeckten Gipfeln im Hintergrund
Kathmandu

Momente wie diese werde ich nie vergessen: Ich saß abends mit einem Glas Wein am Amethyst Lake. Plötzlich zogen über der Bergkette gelbe, grüne und bläuliche Polarlichter auf, erst schwach, dann immer stärker. Im Gebüsch raschelte ein Karibu. Spätestens da hatte ich verstanden: Das Tonquin Valley ist tatsächlich einer der schönsten Orte der Welt.

Dinosaur Provincial Park: Dino-Knochen im Sand

Sie waren im Sand verborgen. Mit meiner Bürste durchkämmte ich vorsichtig den lockeren Boden. Mein Rücken schmerzte und meine Knie waren schon ganz aufgescheuert – ob sich die Mühe lohnen würde? Doch Hand aufs Herz: Wer wollte nicht schon einmal echte versteinerte Knochen von Tyrannosaurus Rex, Centrosaurus und Co. heben?

Reisende graben Knochen aus im Dinosaur Provincial Park in Alberta in Kanada
Travel Alberta/ Roth & Ramberg

Für mich war es ein Jugendtraum – und im Dinosaur Provincial Park habe ich ihn mir erfüllt. Der Park im Süden Albertas gilt als einer der größten Dinosaurier-Friedhöfe der Welt. Vor 75 Millionen Jahren waren die Dinos hier über das Land gezogen, als die Prärien Albertas noch tropische Urwälder waren. Heute liegen hier die Badlands, eine bizarre Mondlandschaft.

Auf geführten Touren wie dem „Dino-Dig“ können Hobby-Paläontologen oder Dino-Fans wie ich in dieser Mondlandschaft nach leibhaftigen Knochen Ausschau halten und bisweilen sogar selbst nach ihnen buddeln. Die sandigen Böden rund um den Red Deer River sind so ergiebig, dass es fast unmöglich ist, nicht irgendwann auf versteinerte Knochen zu stoßen.

Vater und Sohn spazieren durch den Dinosaur Provincial park in Alberta in Kanada
Travel Alberta / Mike Seehagel

Bei mir kam der große Moment nach einem schweißtreibenden Tag im Wind. Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt, doch auf einmal lag der Knochen vor mir. Wie sich herausstellen sollte war es ein Wadenknochen eines Centrosaurus Apertus, einem sechs Meter langen Pflanzenfresser mit Nashorn und Nackenschild. Diese Knochenarbeit hat sich gelohnt!

Kensington: Wo Calgary bunt und unterhaltend ist

Nichts wie raus aus Calgary… So dachte ich lange und habe entsprechend gebraucht, um mit Albertas größter Stadt warm zu werden. Tatsächlich kann die Millionenmetropole auf den ersten Blick einen kalten Eindruck machen und das ist nicht nur wettermäßig gemeint: der Beton, die monotonen Vorstädte, die seelenlosen Bürotürme, Fußgängerzonen und Malls.

Irgendwann hat mich ein Freund nach Kensington mitgenommen, einen Vorort im Norden jenseits des Bow River. Da habe ich kapiert: Das wahre Leben findet nicht in der Downtown oder am Calgary Tower statt, sondern in Wohnvierteln wie Kensington. Dort ist die Stadt bunt, unterhaltend und lebenswert. Dort lohnt es sich, als Besucher zu verweilen.

Leute sitzen in Cafés in der Kensington Nachbarschaft in Calgary, Alberta in Kanada
Tourism Calgary

„Village in the city“ nennen sie das coole Viertel in Alberta – übersetzt das Dorf in der Stadt. An Sommerwochenenden kann es in Kensington lebhaft zugehen. Man trifft sich zum After-Work-Drink in den gemütlichen Gartencafés, Weinstuben und Bars, sitzt im Freien mit einem Joint (Cannabis ist legal in Kanada) oder flaniert an der Uferpromenade des Bow River.

Mir gefallen auch die vielen Graffiti und der historische Charakter: Viele Häuser sind im viktorianischen Zuckerbäcker-Stil gebaut, die Vorgärten sind gepflegt, die Straßen von alten Bäumen gesäumt. Schön ist ein Spaziergang am neu ausgebauten Riverwalk mit Blick auf die Skyline und die futuristische Peace Bridge. Da sage noch einer, Calgary sei monoton und kalt…

Autor Jörg Michel posiert vor bunter Hauswand in Kensington, Alberta
Jörg Michel

Skoki Lodge: Hüttenabenteuer nicht nur für die Royals

Kurz nach ihrer Hochzeit 2011 besuchten die britischen Thronfolger William und Kate auf ihrer ersten Auslandsreise Kanada. Sie absolvierten viele repräsentative Termine, doch in ihrem offiziellen Kalender waren zwei Besuchstage als „privat“ markiert. Bis auf Insider wusste damals niemand, wo die beiden diese Zeit verbringen würden.

Doch es gab Hinweise: Ich saß seinerzeit auf meiner Terrasse in Banff und wunderte mich noch über die vielen Hubschrauber am Himmel, ein absolut ungewöhnliches Vorkommnis für den sonst streng abgeschirmten Flugraum über dem Nationalpark. Zwei Tage später wurde das Geheimnis offiziell gelüftet. In einem der Hubschrauber saßen William und Kate.

Smokie Lodge in der Wildnis
Skoki Lodge

Die Royals waren auf dem Weg zur Skoki-Lodge, einer abgelegenen Blockhütte in der Wildnis der Rocky Mountains – ohne Strom, fließend Wasser oder Zentralheizung. Es war ihr persönliches Hüttenabenteuer, fern der Zivilisation. Nahe Lake Louise im Skoki Valley auf 2.100 Metern Höhe gelegen gilt die Berghütte als die älteste ihrer Art in Kanada.

Zur Hütte führt keine Straße, aber ein 14 Kilometer langer, mittelschwerer Bergpfad. Meine ersten Eindrücke werde ich nicht vergessen: Der Dielenboden knarrte bei jedem Schritt, Petroleumlampen spendeten dumpfes Licht, in einem Knallofen loderte ein Feuer. Zum Frühstück zog der Duft von Speck durch die Ritzen in der Wand. Hüttenromantik pur!

Frühstücksbuffet in der Skoki Lodge in Alberta
Skoki Lodge

Vulcan: Sehnsuchtsort für Trekkies

Normalerweise wäre ich nie auf die Idee gekommen, in den Ort Vulcan zu reisen. Das 2000-Seelen-Dorf liegt zwischen riesigen Äckern, Feldern und landwirtschaftlichen Gütern, irgendwo im Süden Albertas in der Mitte von Nirgendwo. Die Menschen leben vom Raps, von Weizen und Gerste und außer Traktorfahren gab es dort lange wenig zu tun.

Autor Jörg Michel vor Star Trek Museum in Vulcan
Jörg Michel

Doch als der amerikanische Drehbuchautor Gene Roddenberry Mitte der sechziger Jahre die Science-Fiction-Serie „Star Trek“ auf die Filmleinwände brachte, nahm das Schicksal von Vulcan eine unerwartete Wendung. Eine der Hauptfiguren des Films, Lieutenant Commander Spock, stammte nämlich vom Planeten Vulcan – und so war der Ortsname auf einmal in aller Munde.

Für Vulcan war es ein Geschenk des Himmels. Heute ist der Ort eine einzige Spock-Show: Auf einem Podest im Zentrum steht eine Nachbildung der Enterprise, dem Raumschiff der Star-Trek-Crew. Die Straßenlaternen haben die Form eines Raumgleiters angenommen, Wandgemälde zeigen Filmcharaktere. Im Stadtgarten steht eine Bronzebüste von Mr. Spock.

Spock Statue in Vulcan
Mike Morrison @mikesbloggity

In eine Hauswand wurde ein Transporter eingelassen, frei nach dem Motto: Beam me up, Scotty! Das Besucherzentrum gleicht einer Raumstation, drin ein kleines Museum mit allerlei Star-Trek-Krimskrams: Uniformen, Laserwaffen, Masken. Für Trekkies wie mich war es wie in Space. Ich jedenfalls hatte einen Heidenspaß. Live long and prosper, Vulcan!

Alberta – British Columbia: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade, Jörg Michel, 264 Seiten, 360 Grad Medien, ISBN-13: 978-3968550060, 14,95€.

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