Mal wieder die Milchstraße sehen? Oder ferne Galaxien? Kanada ist ein Paradies für Sternengucker! Text: Jörg Michel
Die Nacht der »Stars«
Wir sind irgendwo am Rande der Welt auf einem Campingplatz – und doch fühlt sich der Abend an wie im Kino. Großes Kino. Über uns spannt sich ein Gewölbe aus Sternen, die am Himmel kleben wie ein Haufen glitzernder Diamantenstaub. Die Milchstraße scheint als langes leuchtendes Band am Firmament. Irgendwo mittendrin glänzt der Polarstern so hell und klar, als hätte man ihn frisch poliert.

Da auf einmal tauchen am Himmel grüne und bläuliche Schleier auf. Zu Anfang sind sie ganz blass, dann werden sie immer heller – und immer kecker. Die Nordlichter flackern erst schüchtern, dann springen und hüpfen sie über den Baumwipfeln wie Tänzer bei einem riesigen Ballet des Lichts. Zur Overtüre gibt es die Musik der Natur: Die Grillen zirpen, im Gebüsch raschelt ein Waschbär, ein Biber plätschert im See.
Das größte Dark-Sky-Preserve
Wir sind am Pine Lake Campground im Wood Buffalo Nationalpark. Hier ist die Nacht noch Nacht. Es gibt keine menschlichen Siedlungen, keine Freeways, keine Straßenlaternen, keine Industrie. Dafür einen der dunkelsten Nachthimmel der Welt. Der Park im hohen Norden von Alberta ist das weltweit größte Dark-Sky-Preserve, auch Sternenlichtreservat genannt. Hier wird der dunkle Himmel gefeiert und geschützt.

Für Großstadtkinder wie mich ist es ein echtes Aha-Erlebnis. Hier entdecke ich im Fernglas Planeten, Galaxien und Himmelsobjekte, die ich nur aus dem Film kannte. Captain Kirk und Major Perry Rhodan lassen grüßen! Aber auch Tiere haben es gut hier: Insekten prallen nicht ständig gegen Laternen. Nachtaktive Säuger wie die Fledermaus können im Dunklen besser jagen, pflanzen sich leichter fort und verirren sich nicht in verwirrender Helligkeit.
Die Nacht hat ihre Reize
Insgesamt 21 Sternenlichtreservate gibt es in Kanada, so viele wie sonst nirgendwo auf der Welt. Das ist eine große Ehre – aber auch Verpflichtung. Denn will ein Park in den nächtlichen Club aufgenommen werden, dann muss er auch zeigen, dass er die Lichtverschmutzung aktiv reduziert. Zum Beispiel, indem unnötige Straßenlaternen abgeschaltet oder dunklere Glühbirnen verwendet werden. Also: Lichter aus!
In diesen Dark Sky Preserves in Kanada kann man die Dunkelheit sonst noch feiern:
Jasper Nationalpark, Alberta
Jasper zelebriert den Nachthimmel wie kaum ein anderer Nationalpark in Kanada. Das zweiwöchige Dark-Sky-Festival jeden Herbst ist ein echter Kassenschlager mit geführten Nachtwanderungen, einem kleinen Planetarium und Spielzeugraketen auf dem Sportplatz. Dazu kommen allerlei Stars und Sternchen. In den letzten Jahren mit dabei: Star-Astronaut Chris Hadfield oder George Takei, alias Mr. Zulu vom Raumschiff Enterprise.

Grasslands Nationalpark, Saskatchewan
»Land of Living Skies« nennt sich Saskatchewan – und das aus gutem Grund: Nirgendwo werden so schöne Star-Partys gefeiert wie auf den geschwungenen Hügeln im Grasslands Nationalpark mitten in der Prärie. Mit dabei: Hobbyastronomen, ihre Kameras und Teleskope. In einem Zelt gibt es dazu warme Getränke und Snacks. Die Taschenlampen sind mit rotem Zellophanpapier umwickelt. Kein Licht soll den Gästen die Party verderben.

Bruce Peninsula, Ontario
Wie ein zackiger Zeigefinger ragt die Bruce Peninsula in den riesigen Huron-See hinein – ideale Bedinungen für Hobby-Astronomen aus der Großstadt. Am Leuchtturm Lion’s Head gibt’s im Sommer eine Aussichtsplattform mit Riesen-Teleskop und den passenden Experten an die Hand. Schon mal Mount Hadley auf dem Mond gesehen? Oder den Landeplatz der legendären Apollo-11-Mission? Vom Lion’s Head aus ist alles möglich!

Kejimkujik Nationalpark, Nova Scotia
Der Wald ist so dunkel, doch fürchtet Euch nicht! Mit dem Fernglas und einer Sternenkarte ausgestattet geht es im Sommer abends an den Kejimkujik Lake zum »Sky Circle« im Jeremy’s Bay Campground. Im einzigen Sternenlichtreservat in Nova Scotia nehmen Parkwächter Jung und Alt mit auf eine Reise in ferne Galaxien. Angehörige der Mi’kmaq Ureinwohner erzählen, warum die Dunkelheit in ihrer Kultur so wichtig ist.