Rot, röter, am rötesten: Im Herbst in Kanada verwandeln sich die kanadischen Wälder zum Farbenmeer. Das ist ein wahres Naturspektakel.
Text: Jörg Michel
Was für Farben!
Wir stehen auf einem Aussichtspunkt hoch über den Laurentischen Bergen und blicken in die Ferne. Rot, röter, am rötesten! Unsere Augen brennen, so grell sind die herbstlichen Farben. Wie ein goldener Teppich liegen die Laubwälder des Parc National de la Jacques Cartier tief unter uns im Tal. Dazwischen schlängelt sich ein Fluss wie eine blau-grüne Ader durch die geschwungenen Hügel der kanadischen Wildnis.
Auf dem Les-Loupes-Trail sind wir über sechs Kilometer zu dem spektakulären Aussichtspunkt aufgestiegen, 400 Höhenmeter, um hier in den Wäldern von Québec ein wahres Naturwunder zu erleben: die Fall Foliage. Denn diese Blattverfärbung ist Doping für meine Augen. Fast kommt es mir vor, als seien die Bäume extra für mich angepinselt oder mit einem Filter überzogen worden. Doch das Rot, Gelb und Gold ist echt! Wirklich!
Herbst in Kanada: die spektakulärste Jahreszeit
»Foliage« nennen die Kanadier die herbstliche Laubverfärbung, die meist zwischen Mitte September und Mitte Oktober ihren Höhepunkt erreicht. Dann sorgen im Osten Kanadas angenehme Tagestemperaturen und kühle Nächte dafür, dass sich die Wälder in ein Festival der Farben verwandeln.
Herbst ist bei uns die spektakulärste Jahreszeit,
meint Tommy Laudry, der als Ranger für den Québecer Park arbeitet, und mich hierher geführt hat.
Der Parc National de la Jacques Cartier liegt etwa 50 Kilometer nördlich von Québec City und ist traumhaft im Herbst. Dutzende Wanderwege, Kanurouten und Seen für Paddler bieten Outdoor-Fans wie mir die besten Ausblicke auf Zucker- und Rotahorn, auf Birken, Espen und viele andere Baumarten. Dazu kommen Bären, Wölfe und Karibus. Da lässt es sich wunderbar campen!
Herbst in Kanada: Die besten Adressen
Die überwiegend französischsprachige Provinz Québec gilt neben dem amerikansichen Neuengland als das Zentrum der Herbstfarben in Nordamerika. Aber auch in anderen Regionen Kanadas kann man das einmalige herbstliche Farbenspiel verfolgen. Hier habe ich für euch einige meiner Favoriten aufgelistet.
Algonquin Park, Ontario
Der Klassiker. Mit fast 8.000 Quadratkilometern gehört der Algonquin Park zu den größten und beliebtesten Naherholungsgebieten in Kanada. Populäre Künstler wie Tom Thomson haben die bunten Wälder des Parks mit ihren Gemälden zu einer kanadischen Legende gemacht. Jeden Herbst zieht es zehntausende Städter in die Wildnis des Parks, in dem auch 3.000 Elche und 2.000 Schwarzbären leben. Fernglas nicht vergessen!
Thousand Islands, Ontario
Die Außergewöhnlichen. Aus sprichwörtlich rund tausend Inseln und Inselchen besteht diese einmalige Landschaft des Thousand Islands National Parks, deren Wälder man am besten vom Wasser aus erkundet. Von Kingston aus fahren diverse Ausflugsboote in das Mündungsbebiet von Sankt-Lorenz-Strom und Ontariosee, wo die Färbung besonders intensiv ist. Noch beeindruckender ist das Erlebnis beim Paddeln mit dem Kanu oder Kajak.
Cabot Trail, Nova Scotia
Der Geschwungene. Die Straße über das Hochland von Cape Breton gilt als eine der schönsten Autorouten der Welt – besonders im Herbst. Das Rot, Braun, Gold und Gelb der lieblichen Highlands kontrastiert mit dem tiefen Blau des Himmels und des Atlantischen Ozeans. Abends in den Kneipen gibt’s zur Entspannung traditionelle keltische Musik und die Tänze der irischen und schottischen Siedler. Mittanzen ist angesagt!
Larch Valley, Alberta
Der Schweißtreibende. In den Rocky Mountains gibt es es wenig Laubwälder, dafür aber Lärchen! Deren nadelförmige Blätter werden bunt, bevor sie im Spätherbst abgeworfen werden. Beeindruckend ist diese Laune der Natur im Larch Valley im Banff Nationalpark. Das Hochtal erreicht man über einen steilen Wanderweg, der am Moraine Lake beginnt. Zwei Stunden dauert die Schinderei, doch der Lohn bleibt nicht aus…
Tombstone Mountains, Yukon
Der Arktische. Auch die Tundra hat im Herbst ihren Reiz. In den Tombstone Mountains, die man am besten über den Dempster Highway erreicht, beginnt das farbenprächtige Schauspiel wegen der nördlichen Lage gewöhnlich schon Ende August. Statt Bäumen verwandeln sich dort hauptsächlich Büsche, Flechten und Moose. Mit ein wenig Glück kann man im Gestrüpp auch die putzigen Raufußhühner entdecken. Also, Augen auf!