Kanada ist groß. Kanada ist schön. Und ja, viele können sich nicht entscheiden, wo genau Kanada denn am schönsten ist. Ich schon. Denn ich habe schon vor vielen Jahren mein Herz an Neufundland verloren. Und das nicht nur wegen der Menschen, dem fangfrischen Kabeljau, den Leuchttürmen, den vorbeigleitenden Eisbergen und den niedlichen Papageitauchern. Nein, auch wegen dieser entzückenden Tradition, die Orte in Neufundland mit eine Portion Liebe zu versehen. Und das fängt bereits beim Namen an.
Cupids
Auch mich hat anscheinend Amors Pfeil getroffen, als ich zum ersten Mal den Boden Neufundlands betrat. Kein Wunder also, dass es den Briten ähnlich ging. Sie benannten nämlich dieses wundersüße Örtchen Cupids. In der klassischen Mythologie ist Cupid der Gott der Begierde, der erotischen Liebe, aber auch der Anziehung und Zuneigung. Häufig wird er als Sohn der Liebesgöttin Venus dargestellt und ist auch – wie oben schon erwähnt – im Lateinischen als Amor bekannt.
Es kann kein Zufall sein, dass die älteste besiedelte offizielle britische Kolonie Kanadas einen derart liebenswerten Namen trägt. Zumal Cupids auch noch in der Conception Bay (also Empfängnisbucht ) liegt und mit seinen gerade mal 750 Einwohnern sehr überschaubar ist. So überschaubar, dass man fast jeden einzelnen Bürger in Herz schließen könnte.
Liebesbeweis: Wer ein bisschen Geschichte schnuppern mag, sollte sich an der Cupids Cove Plantation Provincial Historic Site umsehen. Dort wird heute noch archäologisch gegraben und gefunden.
Herzensangelegenheit: In der Nähe von Cupids gibt es das Perchance Theatre, das dem berühmten Londoner Freilufttheater Globe nachempfunden ist. Und wie in der englischen Hauptstadt wird auch hier Shakespeare aufgeführt. Und zwar auf Weltklasseniveau.
The Three Hearts
Bei den drei Hearts handelt es sich um die Orte Heart’s Content, Heart’s Desire und Heart’s Delight. Bei diesem Namenstrio wird es mir gleich warm ums Herz. Dabei hat Heart’s Content auch noch eine weltpolitische Bedeutung. Denn es verbindet Nordamerika mit Europa. Schließlich wurde ab hier das erste Telegrafenkabel durch den Atlantik gelegt.
Woher hat Heart’s Content seinen lieblichen Namen? Pragmatiker würden sagen, weil die Bucht an dem der Ort liegt, eine Herzform hat. Romantiker wie John hingegen erzählen ihre eigenen Geschichten:
Liebesbeweis: Ich empfehle, sich die Zeit am Leuchtturm von Heart’s Content Light zu vertreiben. Mit einer Thermoskanne Kaffee, frischen Chocolate Chip Cookies, auf einer Decke sitzend und die Eisberge beobachtend. Warum? Weil es erdet und mehr entschleunigt als jede Massage.
Herzensangelegenheit: In Heart’s Delight (und in der nahe gelegenen Gemeinde Whiteway) finden sich zahlreiche Aussichtspunkte mit Blick auf die Trinity Bay. Und wer geduldig hinsieht, könnte mit etwas Glück den ein oder anderen Buckelwal sichten.
Little Heart’s Ease
Von Trinity aus lässt sich Little Heart’s Ease leider nicht einsehen, obwohl es fast gegenüber der Bucht liegt. Doch um dorthin zu gelangen, dauert es dann doch über 40 Minuten mit dem Auto. Und auch wer ein Boot nehmen würde, müsste einen großen Umweg in Kauf nehmen, um die süße Gemeinde an Kanadas Ostküste zu erreichen.
Liebesbeweis: Der geschützte Hafen, der nur über die schmale Wasserstraße Heart’s Ease Inlet zu erreichen ist, ist beliebt, weil sicher, für Schooner, die hier genüsslich im seichten Wasser schaukeln.
Herzensangelegenheit: Der gesamte Ort ist ein schöner Fotospot. Besonders weil die bunten Häuschen nah am Wasser gebaut sind und damit für das perfekte Motiv sorgen.
Point Amour
Jetzt sind wir in Labrador. Dem großen, einsamen Teil der Provinz. Und weil dieses raue Fleckchen Erde auch für die damaligen Schiffskapitäne eine Herausforderung war, ist der hiesige Leuchtturm der höchste in Atlantik-Kanada. Der Strait of Belle Isle ist nur schwer navigierbar. Um von der Insel Neufundland nach Labrador zu gelangen, habe ich die Fähre von St. Barbe auf der Großen Nördlichen Halbinsel Neufundlands nach Blanc-Sablon an der südlichsten Küste von Québec, direkt an der Grenze zu Labrador, genommen. In der Hochsaison verkehrt die Fähre mehrmals am Tag, und die Überfahrt dauert weniger als zwei Stunden. Wenn das Wetter sich von der zahmen Seite zeigt, ist die Fähre eine gute Gelegenheit, nach Walen Ausschau zu halten und Vögel zu beobachten. Kleiner praktischer Tipp am Rande, bei der Überfahrt zwischen den Provinzen werden die Zeitzonen gewechselt, daher unbedingt die Überfahrtszeiten genau überprüfen.
Eine halbe Stunde vom Hafen entfernt, steht der Point Amour Leuchtturm stolz und windumworben an der Küste. Die Stimmung ist sensationell und wer es ganz authentisch mag, kann sogar im Leuchtturmwärterhäuschen übernachten.
Liebesbeweis: Sich langsam den Leuchtturm erlaufen, um seine Historie und besonders seine Geschichten einzuatmen. Für den ein oder anderen mag das langweilig klingen, aber das Gegenteil ist der Fall, es ist fast ein Wunder, dass die Beobachtungen der Leuchtturmwärter noch nicht verfilmt wurden.
Herzensangelegenheit: Die Cape Spear National Historic Site besuchen und sich am östlichsten Punkt Nordamerikas wohlfühlen. Oder man ist unternehmungslustig und fährt bis nach Red Bay. Das ist etwa eine Stunde Fahrt und das Hafenörtchen steht auf der Liste der Unesco-Welterbestätten und lohnt garantiert einen Ausflug. Auch hier gilt, Zeit mitnehmen und die spektakuläre Geschichte des Ortes aufsaugen. Es ist zudem ein hübsches Fleckchen Erde, das sich ins Herz schleicht.
So wie die gesamte Provinz Neufundland und Labrador. Und das liegt garantiert nicht nur an den Namen.