Spiegelglatter Moraine Lake in Kanada John Lee

Einzigartiges Kanada

Wildnis, Weite, Weltstädte. Nicht enden wollende Straßen durch eine unvergessliche Natur. Als zweitgrößtes Land der Welt bietet Kanada eine unglaubliche Vielfalt an Erlebnissen, die sich für immer ins Gedächtnis brennen. Reporter Ole Helmhausen, wohnhaft in Montreal, erklärt seinen persönlichen Wahrzeichen von Kanada, mal bekannt, mal unbekannt, seine Liebe.

Ein Hund, der von zu Hause wegläuft, ist noch drei Tage lang vom Küchenfenster aus zu sehen. So beschreiben die Rancher in Saskatchewan die Endlosigkeit vor ihrer Haustür. Was damit gemeint ist, ahnt der Besucher bereits auf dem Trans Canada Highway.

In der Prärieprovinz strebt die mit 8.000 Kilometern längste Nationalstraße der Welt so lange stur geradeaus nach Westen, dass die Hände – theoretisch zumindest – eine knappe Stunde lang nicht auf dem Steuer verweilen müssten. Tempomat einstellen, zurücklehnen und die grandiose Abwesenheit der fahrwilligen Menschheit genießen. So ganz allein auf weiter Flur. Herrlich!

Sonnenuntergang hinter einer Holzhütte in Saskatchewan, Kanada
Tandem X Visuals

Einsamkeit – In Kanada ein (fast) schöner Gedanke

Vor der Haube: der berühmte „Big Sky“ mit gewaltigen, sich über dem Horizont auftürmenden Kumuluswolken. Und die Erdkrümmung, egal wohin man blickt. So sehen 1,1 Einwohner pro Quadratkilometer aus: einsam.

Und unwillkürlich taucht da die Frage auf, wie es sich anfühlt, unter 0,04 Einwohnern pro Quadratkilometer zu verweilen? Antwort: extrem einsam. Doch Einsamkeit muss in Kanadas extrem dünnbesiedelten Northwest Territories nichts Negatives bedeuten. Ganz im Gegenteil. Und wie schön der Gedanke, mit einem Roadtrip dort die Bevölkerungsdichte vorübergehend zu verdoppeln.

Einsame Landschaft in den Northwest Territories in Kanada
Angela Gzowski

Zu schön, um wahr zu sein? Mit gut 10 Millionen Quadratkilometern Fläche, sechs Zeitzonen und 243.000 Kilometern Küste ist das Land im Norden Nordamerikas ein Gigant. Bevölkerungsmäßig ist es dagegen ein Zwerg. Ganze 38 Millionen Menschen leben hier, über die Hälfte davon in den zehn größten Städten im Süden. Dass man sich hier gegenseitig auf die Füße tritt, ist also nicht zu befürchten.

Wide Open Spaces: Hinterm Horizont geht’s weiter

In Kanada ist der Weg das Ziel, und dieses Ziel lässt sich am besten mit Auto oder Zug erreichen. Roadtrips mit Mietwagen oder Wohnmobil stehen auf jeder Bucket-Liste, dicht gefolgt von Zugreisen quer durchs Land und vieltägigen Kanu-Expeditionen durch die Wildnis.

Mann steht auf Autodach und fotografiert eine der Unesco-Welterbestätten in Kanada, den Gros Morne Nationalpark
Finn Beales

Entdeckerfreuden bringen alle Optionen. Anders als in Deutschland – mal ehrlich: Wer hat daheim auf Straße oder Schiene das letzte Mal Neugier oder Entdeckerfreude verspürt? – garantieren Auto- und Zugreisen durch Kanada Erlebnisse, die man nie mehr vergisst. Kaum jemand bleibt von der Weite und Endlosigkeit in den Prärieprovinzen unberührt, kaum jemand unbeeindruckt von den schnee- und eisbedeckten Giganten im Westen und Norden, die Ehrfurcht gebieten und Gespräche verstummen lassen.

Und wer einmal das Gefühl kennenlernen möchte, im Umkreis von vielen Hundert Kilometern der einzige Mensch zu sein, traut sich einfach, eine Kanutour im Norden des Landes zu unternehmen.

Sprachlos im Schatten der Berge

Wo genau gibt es nun solche Ziele mit Wow-Garantie? Antwort: Praktisch in jeder Provinz und in jedem Territorium!

Hotel am Lake Louise, einem Wahrzeichen von Kanada
Finn Beales

Angeführt wird die lange Liste der Ikonen zweifellos von den Rocky Mountains in Alberta und British Columbia. Gleich fünf grandiose Nationalparks gibt es in dieser monumentalen Bergwelt – Banff, Jasper, Yoho, Kootenay und Waterton Lakes – und eine Vielzahl weiterer, von den Provinzen verwaltete Schutzgebiete.

Zu Füßen majestätischer Zwei- und Dreitausender empfangen drei berühmte Resortstädtchen Besucher aus aller Welt: Banff/ Lake Louise mit seinen legendären Schlosshotels Banff Springs und Chateau Lake Louise, anspruchsvollem Shopping und Dining, Jasper und Canmore mit rustikal-eleganten Sporthotels, Restaurants, Pubs und Cafés. Hauptattraktionen: Seen, Gipfel, Tiere und eine Straße. Die Hochgebirgsseen Lake Louise und Moraine Lake kennt zwar die ganze Welt, und doch: Wer, umgeben von Giganten diese Meisterwerke von Mutter Natur zum ersten Mal vor sich sieht, hält die Luft an, starrt mit großen Augen und kann den Blick für eine ganze Weile nicht abwenden.

Türkisfarbener Moraine Lake, eines der Wahrzeichen von Kanada
Connor Jolley

Auf dem nahen Highway 93 kommen Nackenschmerzen vom Aufblicken hinzu. Die als Icefields Parkway weltberühmte Panoramastraße von Lake Louise nach dem 230 Kilometer entfernten Jasper folgt der kontinentalen Wasserscheide durch den wildesten und schönsten Abschnitt der Rocky Mountains. Uralte Gletscher, Wasserfälle und weite, tiefgrüne Täler mit türkisfarbenen Seen wie Peyto und Bow Lake: Immer dann, wenn man denkt, dass es nicht mehr besser werden kann, geht es über eine Anhöhe oder um eine Kurve, und es wird noch unglaublicher, unnahbarer, märchenhafter.

Schneebedeckte Landschaften entlang des Icefield Parkways
Jason Hill @jasoncharleshill

Die Wucht der Einsamkeit beim Rafting und Paddeln

Aus einem Paddler-Logbuch: „Jeder ist nass und dreckig, hat aufgesprungene Hände und Pudding in den Schultern. Alles ist feucht. Zur nächsten heißen Dusche sind es 180 Kilometer Luftlinie. Der Himmel hängt heute so tief und suppig, dass wir mit dem Paddel darin herumrühren können. Warum tun wir uns das an? Ganz einfach. Weil dies der Keele River ist. Weil er sich durch die scharf gezackten Mackenzie Mountains der Northwest Territories arbeitet und es hier weit und breit keine Menschen gibt. Dafür aber schneebedeckte Bergklötze, über deren Kämme sich die Mitternachtssonne abrollt, und sternenklare Nächte, die so still sind, dass wir anfangs irritiert aufschrecken, weil uns die Nachtgeräusche der Großstadt fehlen. Wie schön!“

Zwei Reisende mit Schlamm im Gesicht vom Nahanni River Rafting
Destination Canada

Paddeln unter der Mitternachtssonne, das berauschende Gefühl beim Ritt durch die Wellen und jenes, wenn das Wasserflugzeug hinter den Bergen verschwindet und man plötzlich realisiert, dass man die nächsten 14 Tage in straßenloser Wildnis ohne Handyempfang unterwegs ist: Die Northwest Territories (kurz NWT) und der benachbarte Yukon sind Kanu- und Rafting-Paradiese für alle, die die innere Uhr auf Re-Set stellen wollen.

Egal, ob man ein Paddel-Novize ist oder ein durchtrainierter Wildnisexperte: In Kanadas Norden gibt es Flüsse aller Schwierigkeitsgrade – und natürlich auch profilierte Anbieter geführter Kanu- und Raftingexpeditionen. Der South Nahanni River mit seinen vier bis zu 1.000 Meter tiefen Schluchten und den gewaltigen Virginia Falls treibt auch Raftern Freudentränen in die Augen.

Ein Wahrzeichen von Kanada sind sicherlich auch Kanus und Paddelboote, so wie dieser Herr auf dem South Nahanni River
Colin Field

Im Yukon Territory gibt es gleich mehrere behaglich fließende Wasserwege, allen voran der Yukon River, der Big Salmon und der Teslin. Doch meine Favoriten heißen Alsek und Tatshenshini. Diese zwei bieten die vielleicht ikonischsten Raftingerlebnisse im Norden Kanadas: faszinierende Gletschertäler, tiefblaue Seen voller Eisberge, eine faszinierende arktische Flora und Fauna und ein einzigartiges, berauschendes Gefühl völliger Abgeschiedenheit.

Der Alsek windet sich durch den atemberaubenden Kluane-Nationalpark mit seinen Fünftausendern. Dort treibt man an einigen der aktivsten Gletscher der Welt vorbei, bevor der Fluss auf den Tatshenshini trifft, der weiter nach British Columbia fließt und schließlich im Golf von Alaska endet.

Rafting auf dem Alsek River in Kanada
Destination Canada/ Noel Hendrickson

Noch ein Auszug dem Paddler-Logbuch: „Der Keele ist unser Zuhause geworden, die Erinnerung an Smartphone und WLAN verschwimmt endgültig im zarten Nachmittagslicht. An der Mündung des Twitya River gehen wir an Land und werfen die Leinen aus. Wo das blaugrüne Wasser des Twitya sich mit dem des Keele vereinigt, heißen uns zahllose Lachse und Äschen willkommen. Zeit, die Leinen auszuwerfen und die Ruhe zu genießen.“

Big City Lights

Von den tosenden Wassern der Niagarafälle zu den majestätischen Rocky Mountains, von den schroffen Klippen am Atlantik bis zu den Regenwäldern am Pazifik: Wer Kanadas landschaftliche Ikonen mit der außergewöhnlichen Geschichte und Architektur des Landes kombiniert, landet fast automatisch in einigen der schönsten Städte des Kontinents. Jede ist einzigartig, jede reich an nationalen Wahrzeichen!

Sonnenuntergang über den Hochhäusern in Toronto
Mwangi Gatheca

Toronto, mit 6,4 Millionen Einwohnern die größte Stadt Kanadas, ist eine der multikulturellsten Metropolen der Welt. Der Notruf antwortet in 140 Sprachen: Wenn jemand 911 wählt und weder Englisch noch Französisch spricht, sind die Mitarbeiter so geschult, dass sie die Person in weniger als einer Minute mit jemandem verbinden, der die Sprache spricht. Egal, ob es Ungarisch, Farsi oder das sudanesische Acholi ist. Über die Hälfte der Torontonians wurde nicht in Kanada geboren, über ein Dutzend ethnischer Viertel verleihen mit Tausenden von Bars und Restaurants der Stadt eine Atmosphäre zwischen Kunst, Kulinarik und Kult.

Toronto Schriftzug vor Hochhäusern
Dan Newman

Hinzu kommt eine formidable Architektur. Augenschmeichler, kreiert von den internationalen Reißbrettstars wie Frank Gehry (übrigens Sohn der Stadt) und Daniel Libeskind.

Überragt wird die von ihnen kreierte, supermoderne Skyline der Stadt vom CN Tower. Die schlanke, 553 hohe Skulptur ist das dritthöchste frei stehende Gebäude der Welt und gehört zu den Top-Attraktionen der Stadt. Von den Aussichtsplattformen des CN Towers die Gischtwolke der nahen Niagarafälle zu sehen, ist nur eines der vielen Highlights in diesem urbanen Paradies.

Oh la la!

Québec City ist die Hauptstadt der französischsprachigen Provinz Québec. Die einzige Stadtmauer nördlich von Mexiko hat ihrer Altstadt den Ehrentitel eines UNESCO-Weltkulturerbes eingebracht. Die kopfsteingepflasterten Gassen sind eng und verwinkelt, die Cafés und Bistros so charmant und die Aussichten vom Fairmont Le Château Frontenac, dem wohl meistfotografierten Hotel der Welt, auf den Sankt-Lorenz-Strom so wunderschön, dass man am liebsten den ganzen Sommer in der ältesten Stadt Kanadas verbringen möchte.

Frontenac Hotel in Québec City, eines der Wahrzeichen von Kanada
mervas/ Shutterstock.com

Ah, Vancouver!

Von den Glastürmen in Downtown über die Totempfähle im Stanley Park bis zu den steilen North Shore Mountains Besucher aus aller Welt geraten ins Schwärmen, wenn die Rede von Vancouver ist. Die Stadt am Pazifik wird sehr häufig die schönste Stadt Kanadas genannt.

Blick auf die Skyline von Vancouver, die Stadt ist eins der Wahrzeichen von Kanada
Destination Vancouver/ Albert Normandin

Die beste Lage hat sie auf jeden Fall. Surfen und Ski fahren an einem Tag, dieses Klischee wird gerne bedient. Doch es stimmt. Das Wetter ist hier auch besser als im restlichen Land. Deswegen sind die Strände von Kitsilano und English Beach auch immer einen Picknickausflug mit Schwimmeinlage wert!

Mann mit Hund am Kitsilano Beach in Vancouver
Destination BC/ Grant Harder

Wahr ist auch, dass die Freizeitmöglichkeiten hier in der Westküstenmetropole endlos sind. Meine Favoriten für einen Vancouver-Aufenthalt: Spaziergang im Stanley Park, Bummel durch die Künstlergemeinde Granville Island und Shopping im Public Market, Radtour auf dem 22 Kilometer langen Seawall, Besuch des hervorragenden Museum of Anthropology, um nur eine Handvoll zu nennen.

Die Locals lieben auch eine Wanderung  über der Baumgrenze im Garibaldi Provincial Park und das Kayaking in Deep Cove (North Vancouver). Oder gehen, unter anderem im Lighthouse Park (West Vancouver), zwischen uralten Douglaskiefern spazieren. Glückliches Vancouver. Einzigartiges Kanada!

Museum of Anthropology in Vancouver, British Columbia
Destination Canada
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